Lagebild zur digitalen Bildung: SchülerInnen, Eltern und Lehrkräfte fordern mehrheitlich die umfassende Einbindung digitaler Medien in den Unterricht, eine entsprechende Umsetzung wird jedoch durch fehlende strukturelle Verankerung und damit einhergehende mangelnde IT-Infrastruktur und Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte verhindert – Studienvorstellung mit dem BMWi.
Die Initiative D21 e. V. hat gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Ergebnisse der Sonderstudie »Schule Digital« – Lehrwelt, Lernwelt, Lebenswelt: Digitale Bildung im Dreieck SchülerInnen-Eltern-Lehrkräfte vorgestellt. Die durch Kantar TNS (ehem. TNS Infratest) durchgeführte Sonderstudie zur zeitgleich erscheinenden Gesellschaftsstudie D21-Digital-Index 2016 befragte erstmals sowohl SchülerInnen, Eltern als auch Lehrkräfte nach dem Digitalisierungsgrad in Schulen (Lehrwelt), Zuhause (Lernwelt) und im Privaten (Lebenswelt). Dadurch wird der Status Quo digitaler Bildung an weiterführenden Schulen in Deutschland ermittelt und daraus notwendige Denkimpulse und Handlungsempfehlungen für ein Vorantreiben entwickelt. Um der Frage nachzugehen, wie die Institution Schule zur Förderung der bisher niedrigen Digitalkompetenzen der Deutschen beitragen kann, werden Schulen mit digitalem Schwerpunkt und Schulen ohne entsprechender Ausrichtung gegenübergestellt.
Wunsch nach digitaler Bildung findet wenig Eintritt in die Schulen
Die Mehrheit der Befragten fordert digitale Medien als grundlegenden Bestandteil aller Schulfächer. Die meisten Lehrkräfte sind digitalen Medien gegenüber positiv eingestellt und neun von zehn Eltern messen digitalen Kompetenzen heutzutage für jeden Beruf große Bedeutung zu. „Je mehr digitale Technologie unseren Alltag bestimmt, desto dringender brauchen wir auch digitale Kompetenzen. Das ist eine zentrale bildungspolitische und kulturelle Aufgabe. Es geht um einen kompetenten, verantwortungsbewussten und aufgeklärten Umgang mit der Digitalisierung“, unterstützt Staatssekretär Matthias Machnig die Forderung und ergänzt: „Bildung bereitet junge Menschen auf ihr späteres Leben vor. Sie muss die aktive und selbstbestimmte Teilhabe an der digitalen Welt ermöglichen.“ Doch die digitale Realität der Lernwelt zu Hause und der Lebenswelt findet noch immer wenig Eingang in die Lehrwelt der Schule. Veraltete und nicht ausreichende IT-Infrastruktur sowie professionelle IT-Administration, mangelnde Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte und fehlende strukturelle Verankerung verhindern ein effizientes Umsetzen im Unterricht.
Technische Infrastruktur ist Basis für digitale Bildung, reicht allein aber nicht aus
Befragt wurden SchülerInnen, Eltern und Lehrkräfte nach der technischen Ausstattung in den Schulen, zuhause und ihren privat zur Verfügung stehenden Geräten. Es zeigt sich: Technisch klaffen die Welten weit auseinander. Während 94 Prozent der SchülerInnen ein Smartphone und 70 Prozent ein Notebook privat nutzen, bleibt der Overhead-Projektor neben dem Beamer (91 Prozent) das am häufigsten verfügbare Gerät für den Unterricht (83 Prozent). Die Ausstattung mit leistungsstarker IT-Infrastruktur bleibt somit eine wichtige Aufgabe, um die Basis für digitale Bildung zu legen, macht 2 allein aber noch keine digitale Bildung. Denn die Studie zeigt: Die vorhandene technische Ausstattung in den Schulen ist nicht ausreichend oder wird nur geringfügig genutzt und auch das Potenzial durch die Nutzung der Geräte aus Lern- und Lebenswelt vor allem der SchülerInnen (Bring Your Own Device) wird nicht ausgeschöpft. Außerdem müssen häufig Lehrkräfte – die Gruppe, die ihre eigenen mangelnden Digitalkompetenzen als eine der Hürden für die Umsetzung digitaler Bildung betrachtet – die Administration und Wartung der Technik in Schulen selbst übernehmen (73 Prozent). Nur in 37 Prozent der Schulen wird die IT-Administration von Fachkräften übernommen, wie es in Behörden und Unternehmen längst Standard und Sicherheitsmerkmal ist.
Digitale Bildung braucht mehr Verbindlichkeit
Neben der nicht hinreichenden IT-Infrastruktur (73 Prozent der Lehrkräfte bemängeln die Geräteausstattung, 56 Prozent die Internetgeschwindigkeit) werden von den Lehrkräften ihre eigenen mangelnden Digitalkompetenzen als Hürde für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht gesehen (62 Prozent). Durch die fehlende deutschlandweite strukturelle Verankerung digitaler Bildung in der Aus- und Weiterbildung ist die Vermittlung entsprechender Inhalte und Methoden im Studium sowie die Weiterbildung der Lehrkräfte weitgehend dem Zufall und dem persönlichen Engagement überlassen. Doch nur die Hälfte der Lehrkräfte bildet sich regelmäßig zu digitalen Themen fort (51 Prozent).
Die Studie legt bei allen drei Gruppen deutlich die Relevanz des Internets in der Lebenswelt dar. Digitale Medien sind ein fester Bestandteil des Alltags im gesamten Bildungsdreieck. „Dieser gesamtgesellschaftlichen Entscheidung zu einem durch digitale Medien durchdrungenem Leben muss mit strukturell verankerter und qualitätsgesicherter digitaler Bildung begegnet werden“, fordert Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21.
Schulen auf dem digitalen Pfad fördern positive Wirkung bei Digitalkompetenzen
Als Schulen mit digitalem Schwerpunkt wurden solche identifiziert, die einen Schwerpunkt auf digitales Lernen, digitale Medien legen und/oder eine im IT-Bereich zertifizierte Schule sind. Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Lehrkräfte an Schulen mit digitalem Schwerpunkt bilden sich regelmäßig zu verschiedenen digitalen Themenschwerpunkten fort (Schulen ohne digitalen Schwerpunkt: 48 Prozent). SchülerInnen erhalten doppelt so häufig Schulungsangebote rund um das Thema Internet als an Schulen ohne Schwerpunkt. Entsprechend höher sind ihre Kompetenzen: Sie beherrschen fast doppelt so häufig eine Programmiersprache und gehen versiert mit Sicherheitsmechanismen wie Passwörtern um. Das bereits „kleine“ Konzepte für den Einsatz digitaler Medien an einzelnen Schulen für das Thema sensibilisieren, zeigt sich deutlich.