Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat Ende 2016 in ihrer Erklärung „Bildung in der digitalen Welt“ formuliert: „Wir wollen, dass sie (die SchülerInnen, d. Verf.) gestaltend in das gesellschaftliche Leben eingreifen können, auch im Sinne von demokratischer Mitwirkung an der Gesellschaft und der Gestaltung an der rasanten Umwälzung, die wir gerade beobachten können.“
Unabhängig von diesem Ziel sind bereits jetzt in der „Bildung im Digitalen“ unterschiedliche Konzepte erkennbar, vom Programmieren als Unterrichtsfach bis zum strikten Verbot von Tablet und Smartphone für Kinder. Dabei sind vier Tendenzen erkennbar:
1. Ignoranz gegenüber jeglicher technischen Entwicklung,
2. Reduzierung auf Anwendungswissen und die Ausbildung am Gerät,
3. Medienbildung zur Förderung selbstbewusster und kritischer Mediennutzung und
4. Technologieunterricht zur Erweiterung der technischen Qualifikation.
Diese Konzepte treten kaum in Reinform auf, sie werden je nach Kollegium, Schule oder Elternschaft unterschiedlich stark realisiert.
Ignoranz. LehrerInnen, die sich von den Herausforderungen neuer Medien überrannt fühlen, versuchen meistens alle digitalen Themen aus dem Unterricht fern zu halten. Argumentiert wird häufig damit, dass Bildung Persönlichkeitsentwicklung bedeute und technische Geräte die vielgestaltige Entfaltung von Kindern und Jugendlichen behindere. Mit der Ignoranz gegenüber technischen Entwicklungen lässt man Kinder und Jugendliche blind in zukünftige gesellschaftliche Situationen laufen. Der Bildungsauftrag der Schule wird damit garantiert nicht erfüllt.
Anwendungswissen. Ein anderes Unterrichtskonzept ist Qualifikation für das Arbeitsleben indem der Umgang mit Geräten oder Anwendungssoftware vermittelt wird. Erstellung von Office-Dateien oder Internetsuche sind die Themen. Die Vermittlung von Anwendungswissen wird allerdings dem Bildungsauftrag auch nicht gerecht, da damit Bildung auf Ausbildung reduziert wird.
Medienbildung. Viele LehrerInnen versuchen mit Medienbildung, Themen der gesellschaftlichen Ursachen und Auswirkungen der Digitalisierung im Unterricht aufzugreifen. Lernziel ist der kritische Umgang mit Medien. Die grundlegende Struktur der Medien, ihre technischen Möglichkeiten und ihre Grenzen werden aber nur unzureichend erkannt.
Technische Ausbildung. Das Bildungskonzept „Technische Ausbildung“ zielt darauf ab, Programmierfähigkeiten zu unterrichten. Programmieren ist aber eine Spezialfähigkeit, die allein nicht ausreicht, um die gesellschaftlichen, ethischen und wirtschaftlichen Dimensionen von Informationstechnologien zu erkennen.
Was tun?
Jedes dieser Bildungskonzepte allein kann nicht genügen, um Kinder/Jugendliche auf einen kritischen und selbstbewussten Umgang mit den neuen Technologien vorzubereiten. Es ergeben sich neue bildungspolitische Anforderungen sowohl für Unterricht und als auch Lehrerfortbildung. Notwendig ist die Etablierung einer informationstechnischen Grundbildung und die Intensivierung des Informatikunterrichts im engeren Sinn.
Unterricht. Wissen um IT-Fragen sollte auf zwei Ebenen unterrichtet werden: als informationstechnische Grundbildung und einen darauf aufbauenden Informatikunterricht. Beide Ebenen können unter den Dimensionen „Unterricht“ und „Lehrerbildung“ betrachtet werden. Beginnen wir mit dem Unterricht.
Informationstechnische Grundbildung (SchülerInnen). Informationstechnische Grundbildung zielt auf Wissensvermittlung und Persönlichkeitsentwicklung. Sie hat einerseits nicht die reine Codierfähigkeit als Ziel und geht andererseits über die – sicher notwendige – Medienbildung hinaus, indem sie dafür sorgt, dass die technischen Grundlagen der benutzten Medien verstanden werden.
Beispiele. Um Verschlüsselung angemessen verwenden zu können, muss ich die grundsätzlichen Verfahrensweisen kennen. Um digitale Assistenten wie Amazon Echo oder Google Home in ihrer Bedeutung zu erfassen, muss ich wissen, was Big-Data (Datenspeicherung, Informationsgewinnung, …) heißt. Das Internet of Things verstehe ich nur, wenn ich weiß, wie Netze funktionieren. Weitere Themen: Roboterethik, Verkehrsautomation, Hackerethik, Rationalisierung, Browsertechnologien und Adblocker.
Informationstechnische Grundbildung (LehrerInnen). Von Bildungspolitikern muss das „I“ in MINT endlich ernst genommen werden. Die aktuellen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen erfordern zwingend, dass Informatik im Vergleich zu den etablierten Unterrichtsfächern Physik, Chemie und Biologie eine gleichwertige Stellung erhält.
Lehrerbildung. Häufig ist die Ablehnung der Digitalisierung durch LehrerInnen gespeist von der Hilflosigkeit gegenüber den Herausforderungen technologischer Entwicklungen. Um diese Unsicherheiten beheben zu können, müssen LehrerInnen, auch aus dem sozialwissenschaftlichen oder dem sprachlichen Arbeitsfeld, das fachliche Grundwissen erwerben können, das für die informationstechnische Grundbildung notwendig ist.
Informatikunterricht (LehrerInnen). Für einen qualifizierten Informatikunterricht gibt es zu wenig ausgebildete FachlehrerInnen. Eine Popularisierung der Ausbildung zum/zur InformatiklehrerIn, auch für SeiteneinsteigerInnen, muss schnellst möglich in Gang gesetzt werden. Auch für die bereits unterrichtenden InformatiklehrerInnen ist ständige Weiterbildung zwingend. Heute sollte jede/r InformatiklehrerIn z.B. in der Lage sein, das Wissen zu Neuronalen Netzen über Weiterbildungsangebote zu erwerben.
Schluss.
Jetzt sofort sind die Bildungspolitiker gefordert. Sie müssen die Rahmenbedingungen setzen, um eine Reduzierung auf reines Technologie-Know-How oder Anwendungswissen zu verhindern. Es gilt den umfassenden Bildungsauftrag der Schule zu realisieren, der auch technologisches Grundwissen als Basis für kritische Entscheidungen einschließt.
Diesen Beitrag hat Axel Stolzenwaldt verfasst. und bereits auf seiner Webseite veröffentlicht.