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LOG IN: 19 (1999) Heft 1


SAN – Sonder-Anstrengungen Notwendig

Ein Märchen aus vor kurzem vergangener Zeit

Es war einmal ein Verein, der sich zum Ziel gesetzt hatte, alle alle Schulen mit dem Internet zu beglücken.

Durch den großen Geschichtenerzähler Tucholsky wissen wir, daß ein Verein sich dadurch auszeichnet, daß alles ordentlich geregelt wird. Und deutsche Vereine zeichnen sich darin natürlich über alle Maßen aus. Insbesondere vor, während und nach dem Tätigwerden eines Vereins ist eigentlich alles, aber auch alles geregelt. Daß das funktioniert, dafür sorgt der Verein, weil – wenn es nicht funktioniert – es dann auch kein Verein sein kann. Das weiß jedermann, und das ist auch gut so, und das muß auch so sein, weil, wenn es kein Regelwerk gibt: „Junge, dann herrscht Chaos“ – sagte schon meine Oma.

Nun kam der Verein eines Tages auf die Idee, ein Preisauschreiben in Gang zu setzen und veröffentlichte ein umfangreiches Regelwerk für das Preisauschreiben – nicht, daß jedermann sich nun zählen lasse, sondern, daß jedermann nun Bescheid wisse.

Aber, ach oh weh! Es mußte erst einmal ein Bogen ausgefüllt werden. Viele Telefonate und Rückfragen des begeisterten Lehrerleins mit anderen Interessierten in allen Bundesländern wurden nötig.

Die Zeit verging, weil es ja – auch von den Jahreszeiten – bekannt ist, daß alles seine Zeit braucht, bis schließlich ein ablehnender Preisausschreibenbescheid kam. Mit etlichen Telefonaten und Rücksprachen fand das arme Lehrerlein heraus, daß ein halbes Jahr nach Veröffentlichung des Regelwerks für das Regelwerk das Regelwerk geändert worden war.

Nun gut, sagte sich das Lehrerlein. So etwas kann natürlich passieren. Leute, die noch nie in ihrem Leben einen Verein gegründet haben, müssen erst einmal Erfahrung sammeln – mit dem Vereinsleben und mit sich selbst, der Umwelt, dem lieben Gott – und überhaupt.

Ein Jahr später erlebte das Lehrerlein dieselbe Geschichte. Und grübelte, ob das nun ein Fehler war, systemisch ist oder der großen gesellschaftspolitisch, globalen Jahrhundertaufgabe des Vereins geschuldet sei. Es fand für sich selbst und auch andere Beteiligte keine Antwort und dachte sich, daß das Grübeln des Teufels sei.

Also schickte es auch im dritten Jahr einen neuen Antrag los. Man muß nun dazu sagen, daß der besagte Verein ein sehr moderner ist. Und mittlerweile ist es üblich, daß jedermann seine Informationen nicht nur über das Internet abrufen, sondern sogar eingeben kann.

Obwohl der Verein eigentlich den neuen Geist des Internet propagiert, muß man ihm doch hoch anrechnen, daß er auf die altersspezifische Problematik der Teilnehmer aus den Schulen außerordentlich großen Wert legt („Unser Jüngster wird fünfzig“). Vielleicht fühlt sich der Verein aber auch einfach traditionsbewahrenden Elementen verhaftet?

So wurde nun ausdrücklich das Verfahren der Preisauschreibenbeteiligung bzw. Anmeldung über den elektronischen Datenträger „Diskette“ gefordert. Eine dankenswerte Initiative – gibt sie doch den Beteiligten und traditionsverbundenen Aktivisten, die mit der „Lochkarte“ groß geworden sind, die Gelegenheit, ein seit Jahren anfaßbares bewährtes Medium in einem neuen Kontext zu erfahren. Ein elementarer Lernschritt, wenn man bedenkt, daß eine Diskette bisher nur zur Sicherung eigener Daten verwendet wurde. Daß nun ein Lottoschein auch auf diese Weise abgegeben werden kann, ist als bemerkenswerter evolutionärer Lernfortschritt anzuerkennen.

Interessant ist jedoch die Tatsache, daß Lottoschein nicht gleich Lottoschein ist, was ebenso als neuer Erkenntnisgewinn zu werten ist. Gemeinhin werden Lottoscheine ja von Maschinen gelesen.

Der Sonder-Anstrengungen-Notwendig-Verein, der sich exzellent mit den neuen Lotto-Lese-Maschinen auskennt, benutzt selbstverständlich unterschiedliche Maschinen für unterschiedliche Lottoscheine. Deshalb verschickte der Verein auch unterschiedliche Disketten (Typ A und Typ B), weil ja auch möglich sein soll, die Lottoscheindaten auf unterschiedlichen Maschinen einzugeben – ein Komfort, den die traditionsbewußten Preisausschreibenbewerber durchaus zu schätzen wissen.

Bekannt ist, daß es bei den Lotto-Schreib- und Lesemaschinen ganz unterschiedlich verbreitete Typen gibt – eben Typ A bzw. Typ B. Das ist so wie bei Autos. Viele fahren Golf, sehr wenige Mercedes.
Das besagte Lehrerlein füllte nun brav die mit Typ B („Mercedes“) – gekennzeichnete Lotto- erfassungsdatendiskette aus, die prompt mit der Bemerkung zurückgeschickt wurde, daß darauf keine Daten seien.

Das verwunderte das Lehrerlein, denn auf der Diskette waren wirklich Daten drauf. Ein telefonischer Rückanruf ergab, daß die Auswertungstelle kein Regelwerk verfaßt hatte, daß Disketten vom Typ B nicht in die Lesemaschine vom Typ A gesteckt werden können. Alle ankommenden Disketten wurden seit Jahr und Tag immer in die Lesestation A gesteckt, weil man das immer so gemacht hatte.

Nun fragt sich das arme Lehrerlein, ob dieser Verein nur seinem Namen „Sonder Anstrengungen Notwendig“ alle Ehre machen wollte oder vielleicht doch gar kein Verein ist? Denn ein deutscher Verein ist doch – wie wir seit Tucholsky wissen – fehlerlos!?

Als dann auch wie in den vergangenen Jahren die Meldung kam, daß man leider nichts gewonnen hätte, war die gewohnte Ordnung allerdings dann doch wieder da.

Und eine ganz neue Erkenntnis kam ebenfalls noch dazu: Auch Disketten können als Lottoscheine benutzt werden. Wer hätte das gedacht?

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