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1
SAN Sonder-Anstrengungen Notwendig
Ein Märchen aus vor kurzem vergangener Zeit
Es war einmal ein Verein, der sich zum Ziel gesetzt hatte, alle alle Schulen mit dem
Internet zu beglücken.
Durch den großen Geschichtenerzähler Tucholsky wissen wir, daß ein Verein sich
dadurch auszeichnet, daß alles ordentlich geregelt wird. Und deutsche Vereine zeichnen
sich darin natürlich über alle Maßen aus. Insbesondere vor, während und nach dem
Tätigwerden eines Vereins ist eigentlich alles, aber auch alles geregelt. Daß das
funktioniert, dafür sorgt der Verein, weil wenn es nicht funktioniert es
dann auch kein Verein sein kann. Das weiß jedermann, und das ist auch gut so, und das
muß auch so sein, weil, wenn es kein Regelwerk gibt: Junge, dann herrscht
Chaos sagte schon meine Oma.
Nun kam der Verein eines Tages auf die Idee, ein Preisauschreiben in Gang zu setzen und
veröffentlichte ein umfangreiches Regelwerk für das Preisauschreiben nicht, daß
jedermann sich nun zählen lasse, sondern, daß jedermann nun Bescheid wisse.
Aber, ach oh weh! Es mußte erst einmal ein Bogen ausgefüllt werden. Viele Telefonate
und Rückfragen des begeisterten Lehrerleins mit anderen Interessierten in allen
Bundesländern wurden nötig.
Die Zeit verging, weil es ja auch von den Jahreszeiten bekannt ist, daß
alles seine Zeit braucht, bis schließlich ein ablehnender Preisausschreibenbescheid kam.
Mit etlichen Telefonaten und Rücksprachen fand das arme Lehrerlein heraus, daß ein
halbes Jahr nach Veröffentlichung des Regelwerks für das Regelwerk das Regelwerk
geändert worden war.
Nun gut, sagte sich das Lehrerlein. So etwas kann natürlich passieren. Leute, die noch
nie in ihrem Leben einen Verein gegründet haben, müssen erst einmal Erfahrung sammeln
mit dem Vereinsleben und mit sich selbst, der Umwelt, dem lieben Gott und
überhaupt.
Ein Jahr später erlebte das Lehrerlein dieselbe Geschichte. Und grübelte, ob das nun
ein Fehler war, systemisch ist oder der großen gesellschaftspolitisch, globalen
Jahrhundertaufgabe des Vereins geschuldet sei. Es fand für sich selbst und auch andere
Beteiligte keine Antwort und dachte sich, daß das Grübeln des Teufels sei.
Also schickte es auch im dritten Jahr einen neuen Antrag los. Man muß nun dazu sagen,
daß der besagte Verein ein sehr moderner ist. Und mittlerweile ist es üblich, daß
jedermann seine Informationen nicht nur über das Internet abrufen, sondern sogar eingeben
kann.
Obwohl der Verein eigentlich den neuen Geist des Internet propagiert, muß man ihm doch
hoch anrechnen, daß er auf die altersspezifische Problematik der Teilnehmer aus den
Schulen außerordentlich großen Wert legt (Unser Jüngster wird fünfzig).
Vielleicht fühlt sich der Verein aber auch einfach traditionsbewahrenden Elementen
verhaftet?
So wurde nun ausdrücklich das Verfahren der Preisauschreibenbeteiligung bzw. Anmeldung
über den elektronischen Datenträger Diskette gefordert. Eine dankenswerte
Initiative gibt sie doch den Beteiligten und traditionsverbundenen Aktivisten, die
mit der Lochkarte groß geworden sind, die Gelegenheit, ein seit Jahren
anfaßbares bewährtes Medium in einem neuen Kontext zu erfahren. Ein elementarer
Lernschritt, wenn man bedenkt, daß eine Diskette bisher nur zur Sicherung eigener Daten
verwendet wurde. Daß nun ein Lottoschein auch auf diese Weise abgegeben werden kann, ist
als bemerkenswerter evolutionärer Lernfortschritt anzuerkennen.
Interessant ist jedoch die Tatsache, daß Lottoschein nicht gleich Lottoschein ist, was
ebenso als neuer Erkenntnisgewinn zu werten ist. Gemeinhin werden Lottoscheine ja von
Maschinen gelesen.
Der Sonder-Anstrengungen-Notwendig-Verein, der sich exzellent mit den neuen
Lotto-Lese-Maschinen auskennt, benutzt selbstverständlich unterschiedliche Maschinen für
unterschiedliche Lottoscheine. Deshalb verschickte der Verein auch unterschiedliche
Disketten (Typ A und Typ B), weil ja auch möglich sein soll, die Lottoscheindaten auf
unterschiedlichen Maschinen einzugeben ein Komfort, den die traditionsbewußten
Preisausschreibenbewerber durchaus zu schätzen wissen.
Bekannt ist, daß es bei den Lotto-Schreib- und Lesemaschinen ganz unterschiedlich
verbreitete Typen gibt eben Typ A bzw. Typ B. Das ist so wie bei Autos. Viele
fahren Golf, sehr wenige Mercedes.
Das besagte Lehrerlein füllte nun brav die mit Typ B (Mercedes)
gekennzeichnete Lotto- erfassungsdatendiskette aus, die prompt mit der Bemerkung
zurückgeschickt wurde, daß darauf keine Daten seien.
Das verwunderte das Lehrerlein, denn auf der Diskette waren wirklich Daten drauf. Ein
telefonischer Rückanruf ergab, daß die Auswertungstelle kein Regelwerk verfaßt hatte,
daß Disketten vom Typ B nicht in die Lesemaschine vom Typ A gesteckt werden können. Alle
ankommenden Disketten wurden seit Jahr und Tag immer in die Lesestation A gesteckt, weil
man das immer so gemacht hatte.
Nun fragt sich das arme Lehrerlein, ob dieser Verein nur seinem Namen Sonder
Anstrengungen Notwendig alle Ehre machen wollte oder vielleicht doch gar kein Verein
ist? Denn ein deutscher Verein ist doch wie wir seit Tucholsky wissen
fehlerlos!?
Als dann auch wie in den vergangenen Jahren die Meldung kam, daß man leider nichts
gewonnen hätte, war die gewohnte Ordnung allerdings dann doch wieder da.
Und eine ganz neue Erkenntnis kam ebenfalls noch dazu: Auch Disketten können als
Lottoscheine benutzt werden. Wer hätte das gedacht?
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