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LOG IN: 18 (1998) Heft 5: Thema

Automatisierung

Mobile Roboter in Industrie, Wirtschaft und Unterricht

von Bernhard Koerber

Deutschland ist Fußball-Weltmeister 1998

Als die deutsche Mannschaft im Juli 1998 während der Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich geschlagen das Feld räumen mußte, holten andere deutsche Fußballspieler doch den Weltmeistertitel ins Land: Die Mannschaft der Universität Freiburg errang den ersten Platz beim internationalen RoboCup-Turnier in Paris (vgl. http://www.robocup.org/02.html). Zweiter wurde das Fußballteam der Universität Tübingen (s. Bild 1). Der RoboCup, die Fußball-Weltmeisterschaft mobiler Roboter, ist ein Testfeld für neue Anwendungen der künstlichen Intelligenz und Neuroinformatik.

Der RoboCup wurde 1997 erstmalig im japanischen Nagoya ausgetragen. Bei der zweiten Weltmeisterschaft in Paris traten 81 Mannschaften von Universitäten und Forschungseinrichtungen aus aller Welt in drei Klassen an:

Simulator League (46 Teilnehmer): Hier wird nur über Software am Computer gespielt.
Small Size Robot League (13 Teilnehmer): Hier spielen Roboter bis 15 cm Durchmesser.
Middle Size Robot League (22 Teilnehmer): Dies ist zur Zeit die "Königsklasse" der Weltmeisterschaft, hier spielen Roboter bis 50 cm Durchmesser. In dieser Klasse wurde die deutsche Mannschaft Weltmeister.

Doch nicht nur im Fußball fangen Roboter an, sich zielgerichtet zu bewegen. "Sarcoman" ist ein Roboter aus den USA, mit dem Tischtennis gespielt werden kann (s. Bild 2). Von einem Computer werden die Bewegungen eines Menschen gemessen und die Daten an den Roboter übertragen – man spielt sozusagen gegen sich selbst.

Oder: Ein Roboter aus Japan spielt Volleyball. Mit Kameraaugen wird der Ball an der Farbe erkannt, seine Flugbahn berechnet und zurückgeschlagen.

In den USA gibt es seit längerem Roboter-Wettbewerbe (vgl. http://www.usfirst.org/compinfo.html) und bereits eine entsprechende Zeitschrift (vgl. http://www. robotmag.com).

Horrorszenarien der sich verselbständigenden Maschinen tauchen wieder auf.

Neue Produkte für neue Märkte

Roboter sind bereits seit mehr als 30 Jahren vor allem in der Produktion im Einsatz (in LOG IN sind mehrmals Themen hierzu behandelt worden, vgl. auch den Kasten auf S. 29). Die Zahlen eingesetzter Roboter wachsen stetig an (s. Bild 3). Bislang sind vor allem Handhabungsroboter und speicherprogrammierbare Steuerungen zur Automatisierung menschlicher Tätigkeiten genutzt worden. Mittlerweile hat sich das Bild erweitert: Roboter sind zusätzlich mobil geworden – und das nicht nur als Transportfahrzeuge in der Fabrikhalle. Insbesondere im Dienstleistungsbereich entwickelt sich gegenwärtig ein völlig neuer Markt. Die wichtigsten Bereiche, in denen Service-Roboter zur Zeit angewandt werden, sind beispielsweise:

Medizin,
Rehabilitation,
Kommunalwesen, Umweltschutz, Landwirtschaft,
Hotel und Gastronomie,
Baugewerbe,
Sicherheit, Strahlen-, Katastrophenschutz,
Handel, Transport und Verkehr,
Haushalt, Hobby und Freizeit.

Tätigkeiten, die Roboter in diesen Bereichen übernehmen, sind unter anderem:

Wartung und Installation,
Reparatur,
Transport,
Reinigung,
Bewachung und Rettung,
Datenerfassung.

Führend in der Entwicklung deutscher Service-Roboter ist gegenwärtig das Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) der Fraunhofer Gesellschaft (vgl. http://www.ipa.fhg.de/). Ziel der Forschungs- und Entwicklungsprojekte ist, "Automatisierungs- und Rationalisierungsreserven […] aufzuzeigen und auszuschöpfen, um mit verbesserten, kostengünstigeren Produktionsabläufen die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten oder zu verbessern" (vgl. http://www.ipa.fhg.de/Information/Gefe3.html). Um es deutlicher zu sagen: Ziel ist, die kostenungünstige und wettbewerbshemmende menschliche Arbeitskraft durch Roboter zu ersetzen. Bereits 1990 wurden beispielsweise in Japan 436 Roboter im Baugewerbe eingesetzt.

Vom Bauroboter zum Blumenpflücker

Die Bauindustrie befindet sich nicht nur aufgrund des Rückgangs der Bauinvestitionen in einem Strukturwandel. Die ursprüngliche Aufgabe, das Anbieten von einfachen Bauleistungen, wird immer weniger abgerufen – gefragt sind vielmehr komplette Dienstleistungspakete. Das bedeutet, daß ein Bauunternehmen ähnlich wie in der industriellen Produktion von der Planung über die Vorfertigung von Bauteilen bis zum fertigen Produkt in einer umfassenden und durchgängigen integrierten Qualitätssicherung auf hohem Niveau das gesamte Spektrum des Errichtens eines Bauwerks abdecken können muß. In Japan und in den USA prägen schon längst Bauroboter das Bild einer Baustelle. Armier- und Mauerroboter werden zur Vorfertigung eingesetzt; und an der Baustelle selbst sind wiederum Mauerroboter, Roboter zur Steuerung der automatischen Betonverteilung, zur automatischen Straßenfertigung und Kanalroboter im Einsatz. Kanalroboter verlegen beispielsweise Rohre und Leitungen, ohne die Verlegetrasse aufzureißen – keine Belästigung der Anwohner, keine Verkehrsbehinderungen, keine Umweltschäden mehr.

Mit Robotern kann aber mittlerweile nicht nur tote Materie bearbeitet werden, sondern auch so etwas Empfindliches wie Gerbera-Blüten (s. Bild 4, S. 11). Der Roboter pflegt die Blumen und kann erkennen, wann die Blüten reif zum Pflücken sind.

Auch Blindenhunde werden elektronisch: Ein bereits 1977 angedachtes Konzept eines Fahrzeugs zur Führung von Blinden wird derzeit perfektioniert und zur Serienreife gebracht. Im Projekt "Meldog" des IPA wird der Blinde von der Maschine durch direkte Benutzereingaben oder durch das Hintergrundwissen vorprogrammierter Umgebungen im Geradeausgehen oder beim Abbiegen geführt. Bei entdeckten Hindernissen gibt "Meldog" das Signal an den Nutzer weiter.

Behinderten, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, kann ebenfalls durch Roboter geholfen werden. Der Rollstuhl wird mit einem Roboter-Arm bestückt, mit dem die Aktionsmöglichkeiten schwerbehinderter Personen erweitert werden können.

Lernfähigkeit von Maschinenund Menschen

Von der GMD – Forschungszentrum Informationstechnik GmbH wurde 1998 auf der CeBIT in Hannover "Sir Arthur" vorgestellt (s. Bild 5). "Sir Arthur" ist der Prototyp einer neuen mobilen Robotergeneration. 16 Motoren, sechs Gelenkbeine, vier Mikroprozessoren und zwei Lichtsensoren sind zu einer ameisenartigen Maschine in Dackelgröße mit 1,5 kg Gewicht kombiniert, die über Teppichböden, rutschigem Linoleum und tückische Treppenabsätze wandern kann (vgl. http:// www.gmd.de.pointer/2-98/arthur.html). Das Laufen der Maschine wurde als Lernprozeß geplant. Zuerst lernte die Maschine, mit einem Bein eine Vorwärtsbewegung auszuführen. Dieses Bewegungsschema wurde auf die übrigen Beine übertragen. Anschließend mußte der Roboter so trainiert werden, daß er die Bewegungsabläufe der sechs Beine nicht nur durchführen, sondern auch untereinander koordinieren konnte. Das Ergebnis war ein stabiler Gang auf unterschiedlichem Untergrund, wobei drei Beine stets auf dem Boden stehen.

In einem Robotik-Projekt der Georg-Christoph-Lichtenberg-Schule in Kassel, das von Klaus Füller initiiert wurde, wird zwar auch gelernt, aber von den Schülerinnen und Schülern (s. Bild 6; vgl. http://www. osgo.ks.he.schule.de/~klausf/Robot/). Hier geht’s um Einfacheres: Mit zwei Robotern namens "Willi", die einschließlich der notwendigen Software leihweise zur Verfügung gestellt wurden, sind u.a. zwei Aufgaben gelöst worden:

Willi soll nach vorne fahren. Wenn er anstößt, soll er leicht zurücksetzen, sich um irgendeinen Winkel zwischen 30 und 60 Grad drehen und wieder weiterfahren.
Willi folgt der Kante einer Linie (ein Sensor ist dunkel, der andere hell). Wenn Willi anstößt, soll er sich um etwa 90 Grad drehen, einige Schritte nach vorne fahren und dann eine neue Linie suchen.

Bereits mit solchen Aufgaben können über die technischen Aspekte hinaus auch – wie im Editorial dieses Heftes angedeutet – weiterführende Gesichtspunkte des Robotereinsatzes in der Schule erarbeitet werden.

Bernhard Koerber
FU Berlin – FB ErzWiss. u. Psych. – GEDIB
Habelschwerdter Allee 45
14195 Berlin
E-Mail: koerber@compuserve.com