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IN 20 (2000) Heft 2
Streng geheim
Die Welt der verschlüsselten Kommunikation
Erst am 17. März 2000 wurde es eröffnet das Berliner
Museum für Kommunikation und schon bietet es eine Sonderausstellung, die es in
sich hat: Streng geheim! Die Welt der verschlüsselten Kommunikation.
Vom 27. September 2000 bis zum 21. Januar 2001 können sich die
Besucher in den Bann der vielfältigen Formen verdeckter Mitteilungen, der Chiffrierung
und Dechiffrierung, des Rätselhaften und Geheimnisvollen, des Zusammenspiels von Macht,
Leidenschaft und Verrat ziehen lassen. Gezeigt wird der geschichtliche Prozess
übertragungstechnischer Entwicklungen: Von der verschlüsselten Korrespondenz zwischen
Cäsar und Cicero, den mit der elektrischen Telegrafie einsetzenden Codierungsstrategien
bis hin zur Verschlüsselungsmaschine Enigma im Zweiten Weltkrieg.
Interessierte Leserinnen und Leser von LOG IN werden die Hintergründe hierfür kennen: In
unserer Serie RSA & Co. in der Schule Moderne Kryptologie, alte
Mathematik, raffinierte Protokolle wurde bereits ein großer Teil dessen, was hier
zu sehen ist, für den Unterricht aufbereitet.
Die mehr als 250 Exponate der Ausstellung präsentieren vom
mittelalterlichen Anleitungsbuch für Geheimschriften bis zur Minikamera im Taschentuch
die Vielfalt der Verschlüsselungen und geben Einblick in den Alltag der Agenten, ihrer
Tätigkeit und ihrer Hilfsmittel.
Dass das erfolgreiche Übermitteln geheimer Botschaften ohne
Verschlüsselungen nicht denkbar ist, veranschaulicht ein Blick auf die Entwicklung der
Kryptografie. Bereits Julius Cäsar pflegte seine Korrespondenz mit Cicero in einer
Geheimschrift zu führen. Sie beruhte auf einem simplen Verschiebetrick, der jeden
Buchstaben im Alphabet durch einen um drei Stellen verschobenen Buchstaben ersetzte. Neue
anzapfbare Kommunikationstechniken wie Telegrafie und Telefonie und
kompliziertere mathematische Verschiebungen machten immer leistungsfähigere Hilfsmittel
zum Chiffrieren notwendig. Wurde im Ersten Weltkrieg noch überwiegend mit Codebüchern
und einfachen Scheiben oder Schiebern verschlüsselt, zeigt der zunehmende Funkverkehr
gesteigerten Bedarf an Verschlüsselungstechniken. In den Zwanzigerjahren zunächst
auf privater Basis, dann durch deutsche Militärs wurde die sagenumwobene
Enigma entwickelt. So leicht zu bedienen wie eine Schreibmaschine, taugte die
automatische Codierungsmaschine gleichermaßen zum Chiffrieren wie Dechiffrieren. Mit
zunächst drei, später vier Walzen und zusätzlichen Steckverbindungen waren bis zu 150
Billionen verschiedene Verschlüsselungsmöglichkeiten eines Buchstabens gegeben.
Unvorstellbar, dass diese verschiedenen Kombinationen von Menschen durchprobiert werden
sollten. Dennoch gelang den Briten, wie erst 1974 bekannt wurde, bereits 1940 die
Entschlüsselung. Die Arbeiten hierzu waren in England eines der wichtigsten und
geheimsten Projekte während des Zweiten Weltkrieges. In Bletchley Park wurden zu diesem
Zweck die führenden Mathematiker z.B. Alan Turing , aber auch führende
Schachspieler u.a. Harry Golombek, Hughes OD Alexander und Stuart
Milner-Barry zusammengezogen. Der Tatsache, dass die Briten es geschafft hatten,
die Codes der Enigma zu entschlüsseln, wird kriegsentscheidende Bedeutung zugemessen.
Insbesondere konnten dadurch nicht nur die Angriffe der deutschen U-Boote zunehmend
verhindert, sondern sie selbst auch zerstört werden.
Ein besonderes Augenmerk der Ausstellung gilt darüber hinaus den
deutsch-deutschen Agententätigkeiten während des Kalten Krieges, wobei Mythos und
Wirklichkeit des zweitältesten Gewerbes der Welt miteinander konfrontiert
werden.
Wer sind die Spione, die unter falschem Namen oder mit Decknamen
getarnt Informationen beschaffen? Eine Agentengalerie stellt von Richard Sorge bis Rainer
Rupp reale Vertreter des Berufsstandes vor. Manche wurden unter Decknamen eingeschleust
und brauchten etliche Jahre, bis sie ihrer Arbeit als Assistenten an hoher
Regierungsstelle nachgehen konnten. Beispiele hierfür sind Günter Guillaume oder Johanna
Olbrich. Andere liefen über, wie Werner Stiller, der heute unter anderem Namen in
Frankfurt/Main lebt. Er brachte das so genannte Unternehmen Romeo ans Licht:
Annähernd drei Dutzend Fälle, in denen systematisch Sekretärinnen aus den Bonner und
Brüsseler Vorzimmern von MfS-Mitarbeitern unter dem Codewort Liebe angeworben
wurden.
Eine Asservatenkammer mit Beispielen aus der Sammlung des
Bundeskriminalamtes zeigt abenteuerliche Hilfsmittel, die Spione und Spioninnen
tatsächlich genutzt haben. Der Tote Briefkasten im Steckdorn, ein Depot für
Filme im Türstopper eines Interzonenzugs oder die Mikratkamera im Taschentuch
allesamt in amtliche Verwahrung genommene Beispiele, die heute zur Ausbildung von
Kriminalbeamten dienen.
Die Zeiten des Kalten Krieges sind vorbei, doch weder bei den
Nachrichtendiensten noch bei den Agenten herrscht Arbeitslosigkeit: Wirtschaftsspionage,
Atomwaffenschmuggel, Terrorismus und Mafia sind die neuen Schauplätze verschlüsselter
Kommunikation. Einst dem Geheimdienst als Instrumentarium vorbehalten, sind im Zeitalter
von Chipkarten, E-Mail und Online-Banking Verschlüsselungstechniken zum Schutz der
Privat- sphäre der Nutzer und zur Herstellung von Sicherheit und Eindeutigkeit des
Datenverkehrs längst auch im Alltag unabdingbar geworden.
Begleitet wird die Ausstellung von einem umfangreichen Rahmenprogramm mit Führungen,
Agenten-Werkstatt für Kinder sowie Vorträgen und einer Podiumsdiskussion. Der Katalog
zur Ausstellung mit 304 Seiten und etwa 100 Abbildungen ist im Museum zum Preis von 38,-
DM erhältlich (Preis der Buchhandelsausgabe 68,- DM).
Streng geheim!
Die Welt der verschlüsselten Kommunikation
Ausstellungsdauer: 27. September 2000 bis 21. Januar 2001.
Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 9-17 Uhr, samstags, sonn- und feiertags
11-19 Uhr,
montags sowie 24., 25., 31. Dezember 2000 und 1. Januar 2001
geschlossen.
Eintritt frei.
Führungen für Einzelbesucher: samstags und sonntags jeweils 16 Uhr, Teilnahmekarten: 3,-
DM (ermäßigt: 2,- DM).
Museum für Kommunikation Berlin
Leipziger Straße 16
10177 Berlin-Mitte
URL: www.museumsstiftung.de
Monika Schneider, Bernhard Koerber
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