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[2000]

 


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LOG IN 21 (2001) Heft 3/4

 

Digitale Druckvorlagen


   
Rudolf Hell zerlegte Buchstaben, Zeichen und Bilder in Punkte
Seine Erfindungen und Entwicklungen veränderten die grafische Industrie wie niemals zuvor seit Gutenberg. Er ist der Erfinder der professionellen digitalen Verarbeitung und Übertragung von Texten und Bildern: Rudolf Hell. Der bekannte Kalligraf und Schriftentwerfer Hermann Zapf (Palatino, Zapf-Dingbats etc.) nannte ihn den „Edison der grafischen Industrie“.
    
    Am 11. März 2002 verstarb der „Pionier der Nachrichtentechnik“, der 100 Jahre alt wurde, in Kiel.
Geboren wurde Rudolf Hell am 19. Dezember 1901 im bayerischen Eggmühl; im selben Monat wurden von Guglielmo Marconi erstmals erfolgreich Radiosignale über den Atlantik gesendet.
Seine Familie zog 1906 nach Eger (jetzt Tschechische Republik), wo er die Schule besuchte.

    Von 1919 an studierte er Elektrotechnik an der Technischen Hochschule München. Als Diplom-Ingenieur (später Dr.-Ing.) war er dort von 1923 bis 1929 Assistent von Professor Max Dieckmann und erfand 1925 die Bildzerlegerröhre für das Fernsehen (Betrieb einer Fernseh-Sende- und -Empfangsstation gemeinsam mit Professor Dieckmann 1925 auf der Verkehrsausstellung in München).
    Seine Promotion zum Dr.-Ing. (1927) über die Funkpeilung in der Luftfahrt mittels eines direkt anzeigenden Peilgeräts war der erste Schritt zum „Auto-Piloten“. Es ermöglichte den Piloten, in Dunkelheit und Nebel ihren Zielflugplatz zu finden.
    1929 gründete er eine Firma in Neubabelsberg (bei Berlin), die seine bisherigen Erfindungen und den berühmten „Hell-Schreiber“ fertigte (s.u.). Seine Erfindungen und Neuerungen sind Legion. Hier die herausragenden:

  • Bildzerlegerröhre für das Fernsehen (1925).
  • Direkt anzeigendes Peilgerät für die Luftfahrt (1927).
  • Hell-Schreiber (ab 1929), Vorläufer des heutigen Faxgeräts.
  • Hell-Bildfunkgeräte (ab 1950).
  • Klischograph (ab 1951), Variograph, Cholorgraph und Chromagraph: Die ersten Scanner.
  • Die erste (digitale) Lichtsatzanlage (ab 1964).

Hell-Schreiber

Vorläufer des Faxgeräts  

  Der Hell-Schreiber von 1929 leitete die schnelle Übermittlung und Aufzeichnung von Schrift im Nachrichten- und Pressewesen ein. Er löste die störanfällige Morsetelegrafie im Nachrichtenwesen – mittels des Patents der „quantisierten Schrift“ – ab und war eine „Vorrichtung zur elektronischen Übertragung von Schriftzeichen“, die eine Überprüfung der gesendeten Daten ermöglichte.
    „Bei diesem Verfahren wurde jedes Schriftzeichen in Teile oder Quanten zerlegt. Zuerst kannte man das Auflösungsverhältnis im Quadrat mit horizontal und vertikal je sieben Feldern, später mit je zwölf Feldern“ (Förster, 1967, S.330).

Das Prinzip des Hell-Schreibers

   
Buchstaben werden als Bilder übertragen. Dazu reicht für den einzelnen Buchstaben ein sehr grobes 7ö7-Raster aus (siehe Bild 3). Störungen können hierbei das Bild zwar verschlechtern, jedoch das empfangene Zeichen nicht gänzlich unleserlich machen. Diese Redundanz (siehe Bild 4, nächste Seite) ist der wesentliche Vorteil gegenüber anderen Übertragungsverfahren. Jedes Buchstabenfeld besteht aus 7 senkrechten Linien, davon 5 zur Erzeugung des Buchstabenbildes. Jede Linie ist aus 7 weißen oder schwarzen Teilen zusammengesetzt. Das Bildfeld besteht also aus 49 Bildelementen. Die Anzahl der Stromstöße je Buchstabe ist dann verschieden. Die Tastatur des Senders entspricht der einer normalen Schreibmaschine. Für jedes Zeichen und jeden Buchstaben existiert eine gesonderte Nockenscheibe. Beim Anschlagen einer Taste wird die entsprechende Nockenscheibe in Gang gesetzt, die für jeden Buchstaben eine Umdrehung ausführt. Dadurch wird die nötige Zahl von Stromstößen erzeugt.
    Der Hell-Schreiber wurde auch als Blattschreiber gebaut, war vollsynchronisiert und bildete die Buchstaben nur einmal ab. Die Schreibgeschwindigkeit von 21/2 Zeichen je Sekunde bei Handtastung konnte mit einem Lochstreifensender verdoppelt werden. Der Siemens-Hell-Schreiber hatte in den 40er- und 50er-Jahren eine weite Verbreitung gefunden. Das Verfahren wurde lange Zeit für die militärische Nachrichtenübertragung genutzt; heute wird es wegen der guten Fehlerredundanz (Robustheit gegenüber dem Rauschen) gerne von Funkamateuren genutzt. Nachdem die Bundeswehr 1974 einige Hell-Schreiber (GL-Hell) freigab, bildeten Funkamateure „Fangemeinden“. Dieses Fernschreibverfahren wurde von ihnen weiter entwickelt und der heute zur Verfügung stehenden Technik angepasst. 1980 wurde das erste Hell-Programm auf dem AppleII geschrieben, die erste Amateurfunkübertragung zum Mond und zurück (Signalreflexion) mit Hell-Geräten fand 1982 statt. Heute gibt es Software für das Hell-Verfahren auf den gängigen Betriebssystemen (Download der Software und weitere Informationen unter http://www.qsl.net/dh7uaf/hell.htm).

Vom Klischographen zum Chromagraphen

Die ersten Scanner

    Der Klischograph war eine elektronisch gesteuerte Klischee-Graviermaschine, mit der das Bild abgetastet und die Ton- und später die Farbwerte in elektronische Impulse übersetzt und ihrerseits in einem Rechengerät beeinflusst werden konnte. Die so berichtigten Impulse ließen einen Gravierstichel die Rasterpunkte aus einer darunterliegenden Metallplatte oder einer Kunststofffolie herausschneiden (vgl. Willkomm, 1967, S.287).
    In dem damals üblichen hoch-qualitativen, aber vor allem für den Zeitungsdruck umständlichen Verfahren in Ätztechnik wurden die Vorlagen unter zwei Glasplatten mit diamantgravierten parallelen Linien gelegt – die um 90° zueinander verdreht waren, so dass ein Gitterfeld (=Raster) entstand –, fotografiert und auf eine lichtempfindliche Platte kopiert. Bei Farbauszügen wurden entsprechende Filter verwendet. Die durch die gravierten Linien verdeckten Teile wurden weggeätzt. Die erhabenen Teile (beim Hochdruck) konnten die Druckfarbe annehmen.
    Der Klischograph (ab 1951, siehe Bild 5, nächste Seite), das Urgerät der digitalen Bildverarbeitung, war wie seine Nachfolger eine sensationelle Neuerung in der grafischen Industrie und wurde wie alle Erfindungen Hells weltweit eingesetzt: So auch der Variograph (der Vergrößerungen und Verkleinerungen ermöglichte), der Cholorgraph (der erste Farbscanner) und der verbesserte Chromagraph („the world famous“).

Hellcom/Digiset –die erste Lichtsatz-Anlage

Zum ersten Mal seit Gutenberg war der Buchstabe aus dem Setzkasten zu einem materielosen Zeichen geworden.
                                                          FAZ, 17.12.01, S. 19.


    Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden Fotosatzgeräte entwickelt, die fotografische Matrizen, Dia-Scheiben etc. zur Reproduktion nutzten. Doch erst ab den frühen 1950er-Jahren wurden sie – mit der Einführung von hochempfindlichen Filmen – in größerem Umfang eingesetzt. Die in Zusammenarbeit mit der Firma Siemens entwickelte Lichtsatzanlage Hellcom/Digiset (1964) von Rudolf Hell nutzte dagegen keine fotografischen Vorlagen der Buchstabenformen mehr, „[…] sondern die von einem lochstreifengesteuerten Magnetkernspeicher gelieferten Impulsreihen, welche auf einer Kathodenstrahlröhre die jeweils aus 2000 Bit-Punkten zusammengesetzte Buchstabenbilder erzeug[t]en“ (Kirschner, 1968, S.603f.). Diese digitalisierten Buchstaben-Bilder (2000 Punkte pro Buchstabe!) wurden auf einen vorübergleitenden Film projiziert. Satzaufbereitung, Schriftauszeichnung, Zeilenaufbau mit Silbentrennung, Schriftmischungen, automatisches Einbringen von Korrekturen besorgte ein speziell programmierter Siemens-3003-Rechner. Das in den USA „Hell-Ma chine“ genannte Gerät war „[…] die erste kommerziell nutzbare Anlage ihrer Art in der Welt und […] die erste Anlage mit einem typografischen Programm, das auch schwierigen Satzaufgaben gerecht [wurde]“ (Kirschner, 1968, S.603).
    Die Ausgabe dieser CRT-Geräte (cathode-ray tube) erfolgte auf Papier oder Film (automatisch in der Anlage entwickelt, stabilisiert und getrocknet) wahlweise positiv seitenrichtig oder seitenverkehrt. Die Filme wurden in der Montage zusammengestellt und für die Druckplattenherstellung kopiert. Die mit einem Bildschirmgerät ausgerüsteten Anlagen konnten später auch den so genannten „Ganzseiten-Umbruch“ unterstützen.
Die Satzleistung mittels Lochstreifen, Magnetband oder Rechner-Direktansteuerung („on-line“) betrug schon anfangs über eine Million Zeichen pro Stunde: Eine Tageszeitung z.B. enthält auf 20 Seiten im redaktionellen Teil ca. 250000 Schriftzeichen.
Diese enorme Leistung war nur mittels der so genannten Endlos-Lochstreifen (engl. „idiote tape“, franz. „bande au kilomètre“) möglich. Sie nahmen die Texte ohne Rücksicht auf Zeilenbreite, Blocksatz und Trennungen auf und wurden zur Texteingabe vor allem in Bleisetzmaschinen schon Anfang der 1960er-Jahre in den USA verwandt. Zu deren Herstellung waren keine besonderen fachspezifischen Kenntnisse mehr erforderlich (siehe Kasten, Seite 109).


Und was noch …?

   
Laut Frankfurter Allgemeine Zeitung hätte Rudolf Hells Ruhm noch größer sein können: „1968 entwickelte er das Datensichtgerät DS 2038. Es entsprach in technischer Hinsicht weitgehend einem erst 1983 von IBM entwickelten PC. Bei der Hell-Geschäftsführung wurden dem Gerät jedoch, wie unter anderem auch der Satz- software mit dem ersten deutschen Silbentrennprogramm, keine großen Zukunftschancen beigemessen. Die Entwicklung wurde eingestellt“ (FAZ, 2001, S.19).
Rudolf Hell zog sich 1972 aus der aktiven Geschäftsleitung seiner Firma zurück, nachdem die „Dr.-Ing. Rudolf Hell GmbH“ mit über 2000 Beschäftigten 1971 in den Siemens-Konzern eingebracht wurde. Sie fusionierte 1990 mit der Linotype AG zur Linotype-Hell AG, die 1997 von der Heidelberger Druckmaschinen AG, dem „Weltmarktführer der Branche“, übernommen wurde.
    Geehrt wurde Dr. Rudolf Hell u.a. mit dem Großen Bundesverdienstkreuz 1967, der Ehrendoktorwürde der Universität München 1973, dem Gutenberg-Preis 1977 und dem Werner-von-Siemens-Ring 1978.

Heinz Faatz
Jürgen Müller