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[2000]

 


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LOG IN 20 (2000) Heft 3/4



Intelligente Agenten


    Beim Titel dieses Heftes werden viele Leserinnen und Leser Gedanken an James Bond sicherlich nicht ganz leugnen können. Was jedoch haben intelligente Agenten im Sinne der Informatik mit ihrem populären Vorbild gemein? Ziel ist, in Informatiksystemen eine Dienstleistung bereitzustellen, die dem Vorbild des menschlichen Agenten nahe kommt. Dieser Agent arbeitet selbstständig, um einen Auftrag des Anwenders zu erfüllen. Mit „Agenten“ bezeichnet man in der Informatik Software-Komponenten, die Aufträge ausführen und überwachen. „Intelligente Agenten“ nennt man autonome, kooperierende Software-Systeme. Typische Aufgaben mobiler, autonomer Agenten sind Informationssuche in großen, heterogenen Netzwerken, elektronischer Handel, Netzwerkmanagement und Software-Verteilung.
An diesem Thema kann sehr gut erkannt werden, wie sich die Bedeutung einzelner Schwerpunkte in der Informatik verändert. Mit intelligenten Agenten beschäftigten sich über viele Jahre nur spezialisierte Forschungsgruppen der Künstlichen Intelligenz. Ihre Entwicklungserfolge trafen zu einem historisch günstigen Zeitpunkt auf Dienstleistungsanforderungen in Rechnernetzen und verteilten Systemen, die genau mit dem Konzept der intelligenten Agenten vorteilhaft realisiert werden konnten.
    Das Thema rückte ins Zentrum der Informatik. Die Produkte begegnen dem Anwender heute beim alltäglichen Suchen und Finden im Internet. Von den „Dienstbaren Geistern“ schrieb das macmagazin 6.2000, die beim Einkauf und bei der Partnersuche helfen wollen. Im Vordergrund stehen dort Produkte, Hersteller und aktuelle Firmenübernahmen. Doch ganz so uneigennützig, wie es scheinen mag, sind die Software-Roboter nicht. Ein Beispiel sei der Service „Agent als Einkaufshilfe“, der Produktkataloge vergleicht und dem Anwender günstige Angebote unterbreitet. Es ist Vorsicht geboten, da die Händler mit dem Service zusammenarbeiten können, sodass nicht die günstigsten Produkte, sondern die Waren des verbündeten Händlers besonders empfohlen werden. Intelligente Agenten können Angebote verhandeln und einen Einkauf durchführen. Sie kooperieren dann mit einem anderen Agenten, der als Verkäufer wirkt. Sie entwickeln und verfolgen eigene Strategien zum Erreichen der gestellten Ziele.
Im Informatikunterricht ist das Thema sehr motivierend für den Zugang zum Verständnis der Wirkprinzipien von Rechnernetzen. Mobile Agenten können mit intelligenten Agenten zusammenwirken, indem sie diese durch das Netz transportieren. Ein Vorteil besteht im Reduzieren der Netzlast, da nach dem Transfer des Agenten zur weiteren Kooperation mit anderen Agenten das Netz nicht mehr benötigt wird. Nachteile bestehen einerseits in der erforderlichen Vorinstallation der komplexen Ausführungsumgebung, die man in vielen Fällen nicht vorfindet, und andererseits im fehlenden Schutz des Agenten vor Informationsdiebstahl, wenn sie auf einem fremden Rechner angekommen sind. Mobile Agenten sollen keine bösartigen Programme verbreiten können. Deshalb erhalten sie auf einem Rechner, den sie besuchen, nur Zugriff auf genau abgegrenzte Datenbereiche entsprechend einem Sicherheitsmodell.
    Im Beitrag von E.-E. Doberkat werden die informatischen Grundlagen intelligenter Agenten sehr anschaulich beschrieben, indem Analogien zum Kooperieren von Personen herangezogen werden. Die Wirkprinzipien sind gut zu verstehen, auch ohne eine Vertiefung in der Implementierung mittels Programmiersprache. Damit entsteht ein fachdidaktischer Zugang für dieses Thema in der Sekundarstufe.
    U. Furbach, O. Obst und F. Stolzenburg stellen Aspekte aus der Künstlichen Intelligenz vor. Multi- agenten-Systeme entwickeln komplexe Handlungsstrategien, die programmtechnisch vorbereitet werden mit Wissensrepräsentation für längerfristige Absichten, unmittelbare Wünsche und die aktuelle Sicht auf die Situation. Was am Beispiel von Sportszenarien entwickelt wird, kann in Gefahrensituationen Menschenleben retten mit Hilfe autonomer Roboter.
    Im Beitrag von J. Seitz geht es um mobile Agenten und deren Realisierungsmöglichkeiten. Vor- und Nachteile des Einsatzes werden unter besonderer Berücksichtigung potenzieller Sicherheitsprobleme vorgestellt.
    Im Beitrag von Th. Fuchs werden Erfahrungen mit und gegenwärtige Möglichkeiten von intelligenten Agenten bei der Rechnernetzüberwachung aus der Sicht eines Praktikers diskutiert.
Der elektronische Handel wird durch die Beiträge von V. Gruhn und A. Bergmann abgedeckt. Gruhn stellt sehr anschaulich die dadurch bedingten Veränderungen betrieblicher Geschäftsprozesse dar und gibt Einblick in die Implementierung von e-Business-Anwendungen über zusammensetzbare Komponenten. Der Beitrag von Bergmann gibt einen Überblick über elektronische Finanz- und Handelsdienstleistungen. Beide Artikel geben ferner Aufschluss darüber, wie intelligente Agenten zur Weiterentwicklung beitragen werden.
    Das Themenheft soll am Beispiel der intelligenten Agenten auf sehr unterhaltsame Weise zeigen, wie sich die Informatik als Fachwissenschaft entwickelt und welche Impulse (vgl. Beiträge von M. Weigend, B. Leipholz-Schumacher und L. Humbert) davon für die informatische Bildung in Schulen diskutiert werden können.

Torsten Brinda
Sigrid Schubert