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3407363486_m.gif (13175 Byte)Chr. Gerbig, I. Gerbig-Calcagni:
Moderne Didaktik für EDV-Schulungen – Ein praxisorientiertes Handbuch für Trainer, Ausbilder, Lehrkräfte und Qualifizierungsverantwortliche

Reihe "Beltz Weiterbildung". Weinheim; Basel: Beltz Verlag, 1998. ISBN 3-407-36348-6. 141 S.; DM 44,-.

Rezension in: LOG IN: 18 (1998) Heft 5Forum

Es ist völlig klar, daß effizientes Arbeiten mit Software auch eine gute Schulung voraussetzt. Um dieses Ziel zu erreichen, sind zur Zeit zwei Wege zu beobachten: Über den einen Weg wird Hintergrundwissen vermittelt und über den anderen das jeweils aktuelle Softwareprodukt. Während mit dem letztgenannten Weg einer ausschließlichen Produktschulung nichts anderes erzeugt wird als eine neue Art dressierter Affen, besteht zumindest beim Vermitteln von Hintergrundwissen die Chance, daß die Lernenden bei auftretenden Fehlermeldungen und einem Versions- oder sogar Produktwechsel sich selbst helfen können. Um zu Hintergrundwissen zu gelangen, ist jedoch kein Informatikstudium mehr notwendig. Vielmehr geht es darum, den Lernenden Verständnis über die Grundlagen und Zusammenhänge des Anwendens von Software in ganz konkreten Problemsituationen zu vermittlen. Zwar nimmt die Anwenderfreundlichkeit von Computern zu, aber auch die Komplexität der Systeme. Die Strategie etlicher Fortbildungsinstitutionen scheint allerdings darauf abzuzielen, die Lernenden unmündig und vor allem (von ihnen) abhängig zu lassen. Selbst in der Lehrerfortbildung zeigt sich dies: Aufgrund der Finanzlöcher in öffentlichen Haushalten wird Fortbildung an private Institutionen abgegeben, deren Dozenten einerseits nicht die geringste Ahnung von schulischer Realität und andererseits keinerlei didaktische Kreativität besitzen. Ähnliches ist bei Schulungsmaßnahmen für Teilnehmer aus Industrie und Wirtschaft zu beobachten, deren Motivation, an solchen Kursen teilzunehmen, vor allem durch das Damoklesschwert drohender Entlassung bestimmt wird: Langweilige Produktschulung übelster Art ohne jeglich Berücksichtigung des beruflichen Umfeldes der Teilnehmer. Daß dies immer noch Realität ist, zeigen entsprechende Untersuchungen deutscher Universitäten und Industrieverbände.

Bücher, wie das vorliegende, sind deshalb stets zu begrüßen, um das Niveau von EDV-Schulungen zu heben und die Lernenden zu mündigen Software-Nutzern heranzubilden. Die Autoren stellen sich vor allem folgende Fragen:

Wie soll ich meine EDV-Schulungen grundsätzlich aufbauen?
Wie kann ich Informations- und Übungsphasen lernpsychologisch sinnvoll arrangieren?
Wie gehe ich mit Störungen und Konflikten in meinen Kursen um?
Gibt es Methoden, die sich für EDV-Schulungen besonders eignen?

Die Antworten, die die Autoren auf diese Fragen geben, richten sich in erster Linie an angehende und praktizierende Trainerinnen und Trainer von EDV-Schulungen. Auch für Lehrerinnen und Lehrer, die Informatik entweder interdisziplinär oder als eigenständiges Fach unterrichten, soll das Buch eine nützlich Unterstützung bieten – so im Vorwort, S. 10.

Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert:

  1. Anfangssituation,
  2. Schlußsituation,
  3. Kursarchitektur,
  4. Informationsaufnahmephasen,
  5. Aktive Verarbeitungsphasen,
  6. Die Lernatmosphäre,
  7. Methoden in EDV-Schulungen,
  8. Checklisten.

Für professionelle Lehrerinnen und Lehrer haben Bücher dieser Art zunächst den Nachteil, daß vieles vorgestellt und besprochen wird, was für sie bereits zur Selbstverständlichkeit gehört, z.B. die Konzeption von Anfangs- und Schlußsitiationen eines Unterrichts. Für unterrichtende Laien, wie sie in vielen Fortbildungsinstitutionen zu finden sind, wird allerdings etliches offenbart, was sie schon immer wissen wollten und stets falsch gemacht haben. Im folgenden dieser Rezension sollen vor allem die Kapitel 5 (Aktive Verarbeitungsphasen) und 7 (Methoden in EDV-Schulungen) besprochen werden, da sie für alle Interessenten von Bedeutung sein könnten.

Im Zentrum des Kapitels 5 steht vor allem die These, daß es für Teilnehmer wichtig ist, ganzheitliche, sinnvolle Aufgaben und nicht Bruchstücke von Übungen zu bearbeiten, die keinen Bezug zur Realität haben. Darüber hinaus wird auf das Thema "Fehler und Fehlermanagement" eingegangen, und es werden Fehler als wichtiger Bestandteil des Lernprozesses dargestellt. Die Schwierigkeit dabei besteht vorwiegend darin, praxisrelevante Aufgaben zu finden, die einen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad aufweisen und trotzdem alle Funktionen abdecken, die zu den gestellten Zielen der Schulung führen. Anhand konkreter Beispiele zeigen die Autoren, wie die Lösung dieses Problem angepackt werden kann. Hier bieten sich etliche Anregungen auch für den schulischen Unterricht, bei dem ja Realitätsnähe ebenfalls des öfteren ein Problem ist.

Im Kapitel 7 über Methoden geht es vor allem um die Förderung des sozialen Lernens. Dabei wird insbesondere auf moderne Moderationsmethoden – wie auch an vielen anderen Stellen des Buches – zurückgegriffen. (Wer sich übrigens über Moderationsmethoden ausführlicher informieren möchte, dem sei das 1998 von H. Gudjons herausgegebene Buch "Die Moderationsmethode in Schule und Unterricht" empfohlen.) Auch dieses Kapitel bietet für professionelle Lehrkräfte eine Fülle von Anregungen.

Fazit: Es liegt ein begrüßens- und empfehlenswertes Buch vor, in dem eine Reihe notwendiger Vorüberlegungen, moderner didaktischer Erkenntnisse der Erwachsenenpädagogik und Verfahrensweisen zur EDV-Schulungsdurchführung vorgestellt wird und das deshalb für alle, die ihren Unterricht verbessern wollen, eine wichtige Lektüre darstellt.

Bernhard Koerber

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