Buchvorstellungen aus LOG IN 20 (2000) Heft 3/4
Quelle: LOG IN 20 (2001) Heft 3/4
Tschampel,
Lothar:
BUCH-INF 1 Methoden und Werkzeuge der
Software-Produktion.
Band 1: Methoden und methodische
Werkzeuge.
Berlin: Buch-X-Verlag, 1999. ISBN
3-934671-01-2. 122 S.; DM 15,90.
Tschampel,
Lothar:
BUCH-INF 2 Methoden und Werkzeuge der
Software-Produktion.
Band 2: Algorithmische und technische
Werkzeuge.
Berlin: Buch-X-Verlag, 1999. ISBN
3-934671-02-0. 131 S.; DM 16,80.
Mit diesen
Büchern hat der Autor die ersten beiden Bände einer
vierbändig geplanten Reihe vorgelegt, in der er ausführlich
auf Software-Projekte und ihre Umsetzung in den allgemein bildenden
Informatikunterricht der gymnasialen Oberstufe eingeht.
Im Vorwort des ersten Bandes (S.3) stellt der Autor klar, wie er die
Informatik als allgemein bildendes Unterrichtsfach begreift, und zwar
als eine "Einführung in die Methodik des Denkens, Handelns
und Beurteilens in der Technik illustriert und exerziert an
Beispielen aus dem Gebiet Informatik (vorwiegend
Software-Produktion)". Doch im Informatikunterricht gehen Ziele
und Inhalte über diejenigen der klassischen Fächer noch
weiter hinaus: "Die Schüler machen aus Informationen
Produkte. [
] Insofern ist Informatik-Unterricht eigentlich von
Anfang an ein sogenannter Projekt-Unterricht." Für den
Unterricht bedeute dies, so führt der Autor weiter aus, "eine
unterrichtliche Gratwanderung zwischen Abstraktion (wie in Physik)
und Konkretion (Bau von Kraftfahrzeugen, Bau von Programmen)".
Für diese "Gratwanderung" Methoden und Werkzeuge
vorzustellen, ist das Ziel des Autors, um dadurch für einen
Informatikunterricht zu werben, in dem auch Komplexes von den
Lehrenden und den Lernenden angepackt wird.
Band 1 besteht aus neun Kapiteln und einem Anhang. Im ersten Kapitel
("Einleitung: Informatik und Unterricht") geht es um
Leitlinien des Informatikunterrichts. Insbesondere wird der Begriff
des "Komplexen Systems" erörtert und daran
verdeutlicht, dass Informatikunterricht eben mehr bedeutet, als nur
Informatik zu vermitteln. Gerade durch das Ziel, ein komplexes
Software-System auch im Unterricht zu erstellen, sind beispielsweise
Schulung und Erfahrung in Kommunikation, in Teamverständnis und
Teamorganisation einschließlich der gemeinsamen Reflexion
darüber unabdingbar, um die Struktur von Entwicklungsprozessen
komplexer Systeme transparent werden zu lassen. Im Kapitel 2 ("Phasen
der Software-Entwicklung") stellt der Autor den typischen
Lebenslauf eines Software-Systems und die Grundversion eines
Software-Life-Cycle vor und beschreibt ausführlich den Weg von
einer Anforderungsanalyse zur Anforderungsdefinition als Dokument. In
diesem Kapitel zeigt sich wie in allen anderen Kapiteln
ebenfalls , dass der Autor über einen umfangreichen Fundus
an Erfahrung über die wesentlichsten Aspekte zur Durchführung
von Software-Projekten im Unterricht verfügt. Denn neben der
präzise wiedergegebenen Fachinformation gibt es stets Hinweise
zu Klippen, die bedacht und umrundet werden müssen, eine Reihe
von Vorschlägen für Arbeitsbögen und am Ende jedes
Kapitels zugehörige Aufgaben, durch die das Wesentliche noch
einmal bewusst gemacht werden kann.
Die folgenden Kapitel des
ersten Bandes gehen dann auf "Funktionelle Objekt-Analyse"
(Kapitel3), "Entwurf von Datentypen" (Kapitel4),
"Prozeduren" (Kapitel5), "Entwicklung kleiner Systeme"
(Kapitel6), "Modularisierte Systeme" (Kapitel7),
"Entwicklung modularisierter Systeme" (Kapitel8) und
"Aspekte der Qualität von Software-Systemen"
(Kapitel9) ein. Im Anhang befindet sich eine Sammlung aller
derjenigen Arbeitsblätter und Formulare, die in den
vorangegangenen Kapitel (6 bis 8) besprochen wurden, wobei der Autor
nicht vergisst, darauf hinzuweisen, dass sie für
Unterrichtszwecke ohne schlechtes Gewissen auch vervielfältigt
werden dürfen.
Insbesondere im neunten und
letzten Kapitel geht es dem Autor worauf die
Kapitelüberschrift auch schon hinweist um die Qualität
von Software und die Zuverlässigkeit von Software-Systemen.
Gerade im Informatikunterricht sollte dieses Thema eine wichtige
Rolle spielen, doch leider wird es zumeist sträflich
vernachlässigt. Hier führt der Autor komprimiert in dieses
Thema ein und rundet somit den Blick auf die Produktion von
Software-Systemen ab.
Der zweite Band ist
primär ebenso wie der erste als Nachschlagewerk
und Sammlung von Quellen und Grundideen gedacht. Im zweiten Band
werden gewissermaßen als schrittweise Verfeinerung
Teile der Gesamtdarstellung des ersten Bandes herausgegriffen und
eingehender behandelt. So schreibt der Autor im Vorwort: "Band 2
enthält einige der bei der Software-Produktion notwendigen und
sicher unerläßlichen Grundkenntnisse für die
Gestaltung von Detailstrukturen, also in erster Linie solche der
Elementaren Algorithmik (Kapitel 11), die bei der Konstruktion der
kleinsten System-Bausteine (Prozeduren) eine gewichtige Rolle
spielen, etwa bei dem Entwurf durchschaubarer, also auch gut
nachvollziehbarer rekursiv definierter Algorithmen (Kapitel 21) und
der teilweise daruf aufbauenden Sortier-Algorithmen (von denen einige
in Kapitel 23 und 24 behandelt sind). Ein eigenes Kapitel widmet sich
Grundlagen der Elementaren Zahlentheorie (Konstruktion von
Algorithmen beispielsweise zur Berechnung von Teilern, ggT, kgV,
Euklidische Division, Primzahlen), obgleich solche Themen eigentlich
nur in Ausnahmefällen Teil des Informatik-Unterrichts sein
sollten (Kapitel 26)."
In den anderen Kapiteln des zweiten
Bandes geht der Autor auf Themen ein, die zwar auch zum
Informatikunterricht gehören, aber vor allem erst in ihrem
Zusammenhang zu anderen Themen sozusagen als "Exkurs"
ihre eigentliche Bedeutung zeigen können, beispielsweise
die Kapitel 12 ("Kommunikation Mensch/Maschine"), 15 ("Die
Maschine Computer") oder 16 ("Dualzahl-Arithmetik und
Codierung"). Drei Kapitel sind dem Thema "Sortierverfahren"
gewidmet (23: "Elementare Sortier-Verfahren", 24: "Höhere
Sortier-Verfahren", 25: "Effizienz von Sortier-Verfahren"),
wobei der Autor im Kapitel 28 "Das Divide-and-Conquer-Prinzip"
am Beispiel des vorher besprochenen Quick-Sorts noch einmal deutlich
macht. Die Erläuterungen der Sortier-Algorithmen gehen jedoch
realistischerweise immer davon aus, dass große und nicht
unbedeutende kleine Datenmengen zu sortieren sind, um daran
Einsichten in die Effizienz zu gewinnen.
Als
einziger Kritikpunkt an beiden vorliegenden Bänden bleibt
abschließend anzumerken: Auf neuere Ansätze zur
objektorientierten Modellbildung, wie sie beispielsweise Hubwieser
vorgeschlagen (in: "Didaktik der Informatik Grundlagen,
Konzepte, Beispiele", 2000) und erprobt hat, geht der Autor
leider nicht ein. Dafür legt er aber ein grundsolides und in
seinem Inhalt abgerundetes Werk vor, aus dem eine Fülle Gewinn
bringender Anregungen für den eigenen Informatikunterricht
geschöpft werden kann. Damit verbunden ist zugleich eine
Sichtweise auf den Informatikunterricht, die weit über das immer
noch verbreitete Verständnis des Informatikunterrichts als
"Programmierkurs" hinaus führt.
Die hier (noch)
nicht besprochenen Bände 3 und 4 sollen Aufgaben und
Bearbeitungen zu den Bänden 1 und 2 enthalten (Band 3) und
Dokumentationen von Software-Projekten (Band 4).
Insgesamt ist die
Kenntnis und das Verständnis der Inhalte dieser Buchreihe aus
der Sicht des Rezensenten für die Vorbereitung eines
anspruchsvollen Informatikunterrichts unerlässlich und sollte
zur Pflichtlektüre aller Informatiklehrenden gehören.
Bernhard Koerber