LOG IN: 19 (1999) Heft
3/4
Telekooperation -- Telearbeit
Lernen in vernetzten Schulen ist kein Selbstzweck. Vielmehr wird
davon auch die Vorbereitung aufs Leben in einer vernetzten Gesellschaft erwartet, und zum
Leben gehört auch das Arbeiten. Wie diese Arbeitswelt aussehen wird, kann heute schon
skizziert werden. Und nicht nur das: Telekooperation verbindet zunehmend die Schule
endlich mit ihrem gesellschaftlichen Umfeld.
Der Weg von Visionen zu guten Beispielen für die Unterrichtspraxis ist
erfahrungsgemäß kompliziert. Das Thema Telekooperation und Telearbeit ist in
dem Bewußtsein gewählt worden, hier eine Vorleistung für die künftige Schulentwicklung
vorzustellen. Der Zeitpunkt dazu ist günstig, da mittlerweile etliche technische Fragen
der Schulvernetzung gelöst werden konnten und darüber hinaus Fragen nach einem
konzeptionellen Wandel von Schule und Bildung auf der Tagesordnung stehen. Doch
Lehrerinnen und Lehrer, die in diesem Zusammenhang besonders innovative
Unterrichtsbeispiele erproben, investieren viel Zeit und Kraft in die Realisierung, die
dann für eine Dokumentation der Lösung im allgemeinen nicht mehr zur Verfügung stehen.
Deshalb kann die im vorliegenden LOG IN aufgezeigte Beispielpalette keinesfalls
repräsentativ sein, aber durchaus zur Fortsetzung dieser Diskussion anregen. Somit wird
dieses Thema auch weiterhin ein Gegenstand kommender Veröffentlichungen in dieser
Zeitschrift bleiben.
Der Widerspruch zwischen den Anforderungen an alle Absolventen
allgemeinbildender Schulen ist nach wie vor deutlich einerseits soll
Telekooperation selbstverständlich sein, andererseits existiren immer noch
völlig ungünstige Bedingungen, um dies zu erlernen. Ein stabiler Lernort für die
informatische Bildung fehlt in vielen Bundesländern. Wer sich im Unterricht mit den
Erwartungen, Erfahrungen und auch Befürchtungen auseinandersetzen will, die mit dem Thema
Telekooperation und Telearbeit verknüpft sind, hat zur Zeit noch keinen
festen Unterrichtsort. Auch die Schnittstelle zwischen Allgemeinbildung und beruflicher
Bildung tritt bei diesem Thema mit neuer Dimension ins Blickfeld.
Telekooperation und Telearbeit berühren die Schule und speziell die
informatische Bildung unterschiedlich stark. Die Telearbeit eignet sich als
Unterrichtsthema, um die wichtigen Fragen nach der Zukunft der Arbeit mit Schülerinnen
und Schülern zu diskutieren. Zunehmend gestaltet sich auch ein Teil der Tätigkeit von
Lehrerinnen und Lehrern von der traditionellen Heimarbeit zur Telearbeit um. Dazu fehlen
jedoch die technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. So bleibt beispielsweise der
dafür unabdingbare häusliche Telekommunikationsanschluß vorerst Privatsache jeder
Lehrkraft. Zwar wird Telekooperation heute bereits als Gegenstand und Mittel des
Unterrichts gepflegt, besitzt aber noch keineswegs den Stellenwert in der Schule, der
notwendig ist, um auf die Anforderungen der Informationsgesellschaft mit
lebensbegleitendem Lernen vorzubereiten. Doch einiges soll in diesem Heft vorausblickend
vorgestellt werden.
Zuerst ist zu reflektieren, welcher Wandel sich gegenwärtig von der
Industrie- zur Telematik- und Wissensgesellschaft vollziehlt. Im Beitrag von Hagen
Hultzsch wird dies deutlich.
Obwohl CSCW-Systeme in ihrer Entwicklung erst am Anfang stehen, existiert bereits eine
Reihe unterschiedlicher Angebote. Carsten Schulte, Harald Selke und Carsten Huth
vergleichen in ihrem Beitrag unterschiedliche CSCW-Systeme auf ihre Wirksamkeit in
Lernprozessen. Damit soll die Entscheidung von Lehrenden für eine Erweiterung der
schulspezifischen, technischen Infrastruktur unterstützt werden. Auf dieses Problem gehen
auch Peter Hubwieser, Werner Pichlmeier und Alto Merkt in ihrem Beitrag in der Rubrik
Computer & Anwendungen ein, der exemplarisch ein Bildungsnetz vorstellt.
Dieser Lösungsansatz könnte viele Schulen aus ihrer konzeptionellen Enge herausführen.
Erste Erfahrungen mit kooperativer Arbeit konnten in Deutschland mit dem von der GMD
entwickelten BSCW-System (Basic Support for Cooperative Work) gewonnen werden. Wolfgang
Appelt erläutert, worauf es den Entwicklern ankam und wie die Funktionalität zur
computergestützten Gruppenarbeit realisiert werden konnte. Das System wurde bisher
Schulen kostenfrei zur Verfügung gestellt und fand deshalb trotz seiner
aufwendigen Installation Interesse bei Lehrenden und Lernenden. Die rechtzeitige
und richtige Heranführung an CSCW-Systeme (d.h. an Computer Supported Cooperative
Work-Systeme) im Rahmen der Allgemeinbildung zeigte bereits erste Erfolge, die Ludger
Humbert beschreibt.
Welche Qualifikationen und Kompetenzen zur Telearbeit notwendig sind,
wird von Karin Kühlwetter untersucht. Und Wolfgang Behnke stellt dazu konkrete
Unterrichtserfahrungen vor. Seine Verknüpfung von Informatik, Religion und Philosophie
gehört zu den seltenen Beispielen der Fächerverbindung.
Ludger Humbert
Sigrid Schubert
Helmut Witten
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