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LOG IN: 13 (1993) Heft 6

Von Profis und solchen, die es sein wollen

„Man beherrscht ein Fach nicht,wenn man nur das Fach beherrscht.“
Philipp Hördt (Theorie der Schule. Frankfurt/M: Verlag Moritz Diesterweg, ²1933)


Jeder Mensch hat – zumindest bei uns – eine Schulkarriere als Schülerin bzw. Schüler hinter sich. Erwachsene erinnern sich mehr oder weniger gern an die eigene Schulzeit, und je länger sie zurückliegt, desto positiver erscheint sie. Die eigene Schulzeit – so meinen nicht wenige – qualifiziere sie dazu, fundierte Urteile über die Tätigkeit des Unterrichtens abzugeben. „Es ist doch klar, daß ein gründliches Fachstudium und eine entsprechende Begeisterung dafür ausreichen, auch gut unterrichten zu können – das sogenannte ,Pädagogische` und ,Didaktische` findet sich dann von selbst. Ein guter Fachwissenschaftler ist auch ein guter Lehrer“, so äußerte sich vor kurzem der Wissenschaftsminister eines deutschen Bundeslandes. Und mit seiner Meinung steht er nicht allein.

Selbst an den Universitäten, die nach der Auflösung der meisten Pädagogischen Hochschulen die gesamte Lehrerbildung übernommen haben, wird diese Meinung vertreten; denn so können die entsprechenden Stellen mit plausibler Begründung eingespart werden.

Lehrerinnen und Lehrer sind professionell Unterrichtende. Sie sollten diese Tätigkeit gelernt haben. Der Weg dahin besteht aber nicht nur aus einer Wissensanhäufung von Fakten und deren Zusammenhänge. „Man ist nicht schon Schreiner oder Bauer oder Arzt, wenn man das technische Können und Wissen dieser Berufe besitzt“, wurde von einem der – inzwischen vergessenen – Pädagogen aus den 20er Jahren formuliert (Hördt, 21933, S. 149). Auch in der Schule ist es klar: Nicht Fächer werden unterrichtet, sondern Schülerinnen und Schüler! Ein Lehrer sollte deshalb mehr können: Neben fachlicher Kompetenz ist pädagogische und didaktische Professionalität gefragt, die im Zusammenwirken von Studium und Praxis entsteht.

Mit einer als Unterrichtswissenschaft verstandenen fachbezogenen Didaktik werden heutzutage drei Absichten verfolgt:

  • Es soll eine besser begründete Praxis im Interesse der Lernenden bewirkt werden.
  • Es soll der Austausch der in dieser Praxis Handelnden – d.h. der Lehrenden und Lernenden – untereinander gefördert werden.
  • Es soll eine bessere Verständigung über die Praxis von Vermittlungsprozessen zwischen den Lehrenden erreicht werden.

Wie sieht es aber im Schulfach Informatik aus? Wo sind dort die mit anderen Fächern vergleichbaren Profis? Weder die „informationstechnische Grundbildung“ – oder wie sie auch immer genannt wird – noch das Fach Informatik sind zur Zeit mit anderen Schulfächern vergleichbar: Grundständig ausgebildete Lehrer sind so selten, daß notwendigerweise der Unterricht von fachlichen und fachdidaktischen Laien durchgeführt werden muß. Fachdidaktische Reflexionen setzen erst in letzter Zeit (wieder) ein, nachdem der Informatikunterricht mit seinen ausschließlich auf Algorithmen und zumeist auf eine einzige Programmiersprache fixierten Inhalten in eine wahrnehmbare Krise geraten ist.

Auch bei denen, die didaktische Professionalität akzeptieren, ist die Meinung verbreitet, daß die in anderen Fächern erworbene didaktische Kompetenz ausreicht, um für den Informatikunterricht und den Computereinsatz in der Schule genügend qualifiziert zu sein. So übertragen Mathematiklehrer ihr Fach auf den Informatikunterricht ebenso wie es z.B. Arbeits- oder Fremdsprachenlehrer tun. Eine eigenständige Struktur informatischer Bildungsprozesse wird weder gesehen noch akzeptiert. Für eine informatische Allgemeinbildung ist dies ausgesprochen schädlich.

Wenn im vorliegenden LOG IN (mit einer Fortsetzung im nächsten Heft) das Thema „Planung und Durchführung von Unterricht“ aufgegriffen wird, um die spezifische fachdidaktische Kompetenz der Lehrenden bei informatischen Bildungsprozessen aufzuzeigen, müssen wir selbstverständlich zwischen

  • Examenskandidaten,
  • Berufsanfängern und
  • routinierten Lehrern

in diesem Bereich unterscheiden.

Routinierte – und im positiven Sinn professionelle – Lehrer benötigen keine Einführung in Arbeitstechniken der Unterrichtsvorbereitung mehr. Gefragt sind die spezifischen Konzepte des Computereinsatzes im Unterricht und des Faches Informatik. Professionell eingestellte Lehrerinnen und Lehrer bereiten sich differenziert auf ihren Unterricht vor – zwar ohne lange Lernzielkataloge oder schriftliche Rechtfertigungsversuche, wohl aber hinsichtlich einer problembezogenen Aufgabenanalyse: Sie konzentrieren ihre Vorbereitungen auf die Frage, was sie und ihre Schülerinnen und Schüler im Unterricht tun sollen. Hierzu ist in diesem und im nächsten Heft sowohl Theoretisches als auch Praktisches zu finden.

Rüdeger Baumann
Bernhard Koerber,
Ingo-Rüdiger Peters, irpeters@compuserve.com