LOG IN Heft Nr. 125 (2003)


Editorial



Hauptsache mobil





Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL sah es auf dem Titelbild seines Heftes 47/1984 schon voraus: Der abgebildete Schüler trägt einen Computer mit sich. Der Titel des Heftes: Revolution im Klassenzimmer.

Seitdem im August 2000 auch Bundesbildungsministerin Bulmahn gefordert hat, dass jeder der gut zehn Millionen Schüler einen eigenen Laptop bekommen solle, wird dies erneut in der Öffentlichkeit diskutiert, und dabei gehen die Meinungen weit auseinander.

Vor allem sind zunächst die Kos­ten zu bedenken. Denn es dürfen nicht nur die Beschaffungskosten der Hardware berücksichtigt werden. Vielmehr müssen auch die laufenden Kosten des Betriebs (z.B. Verbrauchsmaterial, Software u. m.), die Kosten des Aufbaus und der Wartung einer entsprechenden Infrastruktur in den Schulen, die Kosten der Lehrerfortbildung usw. einbezogen werden. Dies haben schon Kubicek und Breiter in ihrer 1998 veröffentlichten Studie Die Finanzierung neuer Medien in Schulen nachgewiesen (vgl. auch LOG IN, Heft 34/2001, S. 1621). Für eine mittelgroße Schule würden nach ihren Berechnungen bei einer Aktion Laptops für alle einmalig zu investierende Kosten von rund 4000 Euro pro Schülerin bzw. Schüler anfallen, und die laufenden Kosten würden rund 1250 Euro pro Jahr und Schüler betragen. Ministerin Bulmahn ging bei ihrem Vorschlag im Jahr 2000 von einem einmaligen Finanzvolumen von rund 80 Milliarden Mark, also rund 40 Milliarden Euro, aus, was nach ihren Vorstellungen teils vom Staat, teils von Sponsoren aufgebracht werden solle. In einem Leserbrief, der am 18. August 2000 im Kölner Stadt-Anzeiger erschien, hieß es dazu u.a.: [] Letztendlich ist dieser undurchdachte Vorstoß ein großes Ablenkungsmanöver. Er tut so, als ob im Bildungssystem alles in Ordnung wäre und nur ein paar Laptops fehlten. In Wirklichkeit lenkt er von der Bildungsmisere ab. Deutschland liegt im Bereich der Schulleistungen nur im internationalen Mittelfeld. Der gesamte Bildungssektor ist seit Jahren unterfinanziert. Die Forderung nach Laptops für alle klingt ,modern` und unterschlägt den schlechten Zustand von Schulgebäuden, aus Geldmangel überalterte Lehrbücher, räumliche Enge und Unterrichtsausfall.

Auch aktuell wird die Einführung von Laptops für alle kritisch gesehen. In der Financial Times Deutschland erschien am 4. September 2003 anlässlich der ersten Pilotprojekte in drei hessischen und acht nordrhein-westfälischen Schulen mit Laptop-Klassen ein Beitrag mit dem Titel „Klassenweites Klicken“. Vor allem skeptische Stimmen kommen hier zu Wort: Die Grundqualifikationen gehen hops, wird ein Lehrer zitiert, Etwa die Kopfarbeit. So wie viele Schüler 7ö8 lieber in den Taschenrechner eintippen statt nachzudenken, verleitet das Internet dazu, schon bei kleinen Fragen loszugoogeln. Der Blick in andere Wissensgebiete geht oft völlig verloren. Und eine Schulexpertin betont: Ein schlechter Unterricht wird durch den Einsatz von Medien auch nicht besser. Computer seien nur dann sinnvoll, wenn sie pädagogisch vernünftig eingesetzt würden. Doch darin liegt das größte Defizit. Denn viel zu wenig würden Lehrer geschult, wie sie die Technik sinnvoll in ihren Unterricht integrieren können. Auch Fachkompetenz allein reiche bei weitem nicht aus: Auch wenn ich 1000 Bücher lese, bin ich noch lange kein guter Literaturpädagoge.

Gerade mit dieser letzten Feststellung ist das Dilemma auf den Punkt gebracht. Es geht nicht in der Haupsache darum, mit Notebooks nur mobil zu sein, sondern aus dieser Mobilität fürs eigene Lernen und Arbeiten die dafür spezifischen Stärken sinnvoll zu nutzen. Wer sich die zurzeit laufenden Projekte anschaut, kann leicht den Verdacht bekommen, dass es nur darum geht, nicht mehr in den Computerraum wandern zu müssen, der eigentlich schon mit Informatikunterricht ausgelastet ist. Auch die Medienecke im Klassenraum mit dem einzigen Computer hat sowieso nie ausgereicht

Doch drei gegenwärtige Entwicklungen werden den Einsatz von tragbaren Computern in der Schule nicht aufhalten, sondern eher befördern: Erstens wird mit dem allgegenwärtigen Rechnen der Einsatz von Computern weiterhin rasant zunehmen, zweitens ist mit drahtloser Vernetzung (Stichwort: WLAN) mittlerweile eine unkomplizierte Möglichkeit gegeben, sich auch mit mobilen Computern zu vernetzen, und drittens und das ist das Wichtigste wird mit zunehmender Erfahrung im Unterrichts­einsatz von Laptops und Notebooks auch immer klarer, was der didaktische Mehrwert dieses Einsatzes sein kann und welche Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, um tatsächlich zu diesem Mehrwert zu gelangen.

Ein entscheidender Vorteil der Nutzung von funkvernetzten Laptops im Unterricht ist die Tatsache, dass Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, weitestgehend selbstständig zu Erkenntnissen und Arbeitsergebnissen zu gelangen, und dies nahezu ortsungebunden. Dort, wo auch ernsthaft und mit der notwendigen Kompetenz mobile Computer eingesetzt werden, ist auch klar, dass dies nur eine unter vielen Methoden im Unterricht ist. Die volle Akzeptanz des Computereinsatzes ist erst dann gewährleistet, wenn Computer nicht mehr im Mittelpunkt stehen, sondern Lernprozess und Unterrichts­inhalt.


Bernhard Koerber
Sigrid Schubert
Andreas Schwill