LOG IN Heft Nr. 122/123 (2003)

Editorial

Seit Comenius nichts Neues


    Angesichts der Probleme im Bildungswesen – umfassend in der PISA-2000-Studie dokumentiert – wird der bildungspolitische und didaktische „Altmeister“ Johann Amos Comenius erneut aktuell – mit seinem kritischen Blick, seinem Hinweis auf die Verantwortung des Menschen, seinen pädagogischen Neuerungen sowie mit seiner Suche nach einem umfassenden Sinn.
    Es ist reizvoll, Zitate aus seinem 1657 erschienenen Werk „Die didaktische Maschine“ mit aktuellen Ergebnissen des deutschen PISA-Konsortiums hinsichtlich der informatischen Bildung zu vergleichen:

    „Denn frage nur, Was nehmen sich die Schulen vor? Die Antwort wird lauten, Sprachen, Wissenschaften, Künste. Aber welche Sprachen? Welche Wissenschaften? Welche Künste? Und wieviel von jedem?Unbestimmt und vage wirst du meistenorts alles finden. Man lehrt um zu lehren und lernt um zu lernen: das heißt, man beschäftigt sich um der Beschäftigung willen, niemals sicher, ob man ein Ziel der Mühen erreichen wird oder erreicht hat – ein Ziel, das man nicht bestimmt hat und auf das man daher auch nicht mit Bestimmtheit hinarbeiten kann.“

    Das Formulieren von Bildungszielen und das Messen der erreichten Ergebnisse ist insbesondere auch für den Bereich der informatischen Bildung eine mühselige Angelegenheit. Wie viele Schülerinnen und Schüler wie oft und in wie vielen Fächern den Computer als Lernmedium nutzen, wie oft ihnen der Computer als Lerngegenstand begegnet und wie gut sie den Computer als Werkzeuge beim Arbeiten und Lernen gebrauchen, sind wichtige Kriterien für die Qualität von Bildungssystemen geworden. In der PISA-2000-Studie wagte man eine Annäherung an dieses Thema: In 20 teilnehmenden Staaten wurde ein Fragebogen eingesetzt, in dem die Schülerinnen und Schüler des SekundarbereichsI zu Angaben über ihre computerbezogenen Erfahrungen und Interessen aufgefordert wurden. Das Ergebnis für Deutschland ist ernüchternd: Im internationalen Vergleich der OECD-Länder belegen die deutschen Schüler in Bezug auf ihre Fähigkeiten, den Computer tatsächlich zu nutzen, nur den vorletzten Platz. In allen Bundesländern ist bei den befragten Schülerinnen und Schülern eine hohe Diskrepanz zwischen dem angegebenen großen computerbezogenen Interesse und der tatsächlichen „Computer Literacy“ festzustellen. Unabhängig von den spezifischen Profilen der einzelnen Bundesländer werden trotz eines überdurchschnittlichen Interesses am Umgang mit dem Computer die eigenen Computerfertigkeiten durch die Schülerinnen und Schüler als gering eingeschätzt. Eine Erklärung für diese scheinbar widersprüchlichen Angaben ergibt sich bei einer differenzierten Betrachtung der Art der Computernutzung.

    „Und was ist mit den Medien? Unbegrenzt ist, was sie für sich reklamieren, zuverlässig ist nichts.“

    Erfasst wurden für die Studie die Erfahrungen in den Softwareprofilen „Lern- und Arbeitssoftware“, „Internet und elektronische Kommunikation“ und „Computerspiele“. Dabei zeichnet sich ein Bild von der Computernutzung in Deutschland, in dem der Computer hauptsächlich als Spielgerät angesehen wird. Das Verständnis als informationstechnisches Werkzeug oder seine Nutzung als Hilfsmittel zum Lernen ist bei den deutschen Schülerinnen und Schülern recht selten.

    „Denn was immer unsere Natur sich vornimmt, das ersehnt, strebt und versucht sie – folgend ihrem eigenen Impuls – zu erkennen, selbst ausführen zu können und in ihrem Wissen und Handeln zu nutzen.
Daraus folgt, dass die Schulen, die das Ersuchen der Natur voranbringen und erfüllen wollen, von allen guten und nützlichen Dingen I die Theorie, II die Praxis, III den Gebrauch übermitteln müssen. Das heißt, sie müssen überall und immer lehren, I was etwas ist, wodurch und wie es ist; so dass man bezüglich der Dinge nicht mit dem Verstand zurückbleibt. II Wie es genau gemacht wird; so dass man ähnliches bewerkstelligen kann. III Wozu dieses Wissen und Können dienen kann; so dass der legitime Gebrauch jeder Sache gewährleistet wird.“

    Im internationalen Vergleich der Häufigkeiten der Computernutzung in der Schule landet Deutschland, wie schon erwähnt, auf dem vorletzten Platz vor der Russischen Föderation. Dagegen beschäftigen sich im Durchschnitt deutsche Jungen und Mädchen zu Hause genauso häufig mit einem Computer wie andere Jugendliche aus den OECD-Ländern. Ein wichtiges Instrument zur Förderung von Computer Literacy wird somit nicht ausreichend genutzt.
Die Ergebnisse aus dem Jahr 2000 zeigen deutlich: In allen Bundesländern wird der nicht-spielerische Umgang mit dem Computer bis heute nicht in dem Maße gefördert, wie es wünschenswert wäre. Nun kann man allerdings auch nicht behaupten, dass es in den Neunzigerjahren in den deutschen Schulen keine Überlegungen und Versuche gab, den Umgang mit dem Computer zu fördern. Zwischen Ostsee und Alpen existiert vielerorts der Ansatz, die informatische Grundbildung im Rahmen einer integrierten informations- und kommunikationstechnischen Grundbildung durchzuführen. Mit Blick auf die Ergebnisse der angeführten Studie muss ernüchtert konstatiert werden, dass dieser Ansatz nicht den erhofften Erfolg gebracht hat. Es scheint erforderlich zu sein, den Jugendlichen ein grundlegendes Verständnis der Informations- und Kommunikationstechnik in einem eigenständigen Fach zu vermitteln, in dem jene fachspezifischen Aspekte der Informatik zusammen gefasst sind, die allgemein bildende Bedeutung besitzen. Einige Bundesländer gehen bereits diesen Weg, im vorliegenden Heft werden hierzu Beispiele vorgestellt.

Hannes Gutzer
Jürgen Müller