LOG IN Heft Nr. 121 (2003)

Editorial

Hundert Sprachen hat das Kind


    Unter diesem Motto wurde seit den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Ausstellung organisiert, die in vielen europäischen Städten, u.a. in Stockholm, Madrid, Kopenhagen, auch in Frankfurt am Main und Berlin, und darüber hinaus in den USA zu sehen war (siehe auch LOG IN Heft 5’91, S. 4–5). 
    Lernen, Wissen und Verstehen können durchaus Vergnügen bereiten, und dieses Vergnügen ist eines der grundlegenden Gefühle, wenn ein Kind mit anderen Kindern oder mit Erwachsenen zusammen neue Erfahrungen macht. In diesem Gefühl müssen die Kinder bestärkt werden, damit das Vergnügen auch dann noch anhält, wenn sich herausstellt, dass Lernen, Wissen und Verstehen bisweilen schwierig und mühsam sind – so lautete die wichtigste These in dieser Ausstellung. Und diese These ist auch eine der zentralen Thesen der italienischen Gemeinde Reggio nell’Emilia, die seit 1981 weltweit Ausstellungen über die von ihr eingeleiteten pädagogischen Reformen organisiert.
    „In dieser norditalienischen Stadt gibt es die schönsten Krippen und Kindergärten der Welt“, so urteilte das amerikanische Nachrichtenmagazin „Newsweek“ und verlieh 1991 der Gemeinde einen „Oscar“ für eine Pädagogik, die den auch bei uns üblichen Vorstellungen zur Kindererziehung neue Ideen entgegensetzt. Einjährige Kinder experimentieren dort an Staffeleien mit Farben und Formen, Dreijährige erkunden das Wirken von Computern, und Fünfjährige philosophieren über das Phänomen des Schattens.
    Gerade haben die Ergebnisse der schon viel zitierten PISA-Studie gezeigt, dass die Grundlagen des Lernens bereits im Kindergarten und spätestens im Primarbereich gelegt werden müssen – eigentlich eine Einsicht, die jeder Pädagoge kennt, die aber nur in den Sonntagsreden von Politikern Realität ist.
    Der Initiator und „Vater“ der Reggio-Pädagogik, Loris Malaguzzi, geht davon aus, dass neben vielen hundert anderen Dingen auch der Computer mittlerweile zu einem selbstverständlichen Gegenstand der Umwelt aller Kinder geworden ist. Und deshalb gehört er bereits in den Kindergarten. Dies ist zwar noch in Deutschland kein Thema, aber zumindest im Primarbereich haben – nicht zuletzt aufgrund der Initiative „Schulen ans Netz“ – Computer Einzug gehalten. Darauf müssen sich alle einstellen, die in den weiter führenden Schulen ebenfalls Computer im Unterricht einsetzen wollen. Deutlich geworden ist allerdings schon, dass in einem solchen Unterricht nicht nur der fachliche Kompetenzerwerb der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund steht, sondern Kompetenzen gefördert werden müssen, die bis zum Reflektieren des eigenen Fühlens, Denkens und Handelns führen.
    Mit dem vorliegenden Heft beginnt eine Themen-Serie zur informatischen Bildung in Deutschland. Sie kann – wie üblich – nur eine Zwischenbilanz sein. In dieser Serie soll das Spektrum zwischen dem Computereinsatz in der Grundschule bis zum Leistungskurs Informatik in der gymnasialen Oberstufe aufgezeigt werden. Der rote Faden dieser Serie ist bei den „Empfehlungen für ein Gesamtkonzept zur informatischen Bildung an allgemein bildenden Schulen“ der Gesellschaft für Informatik (siehe LOG IN Heft 2/2000) zu finden. Die bislang gewonnenen Erfahrungen sollen dabei eine Basis künftiger Unterrichtsentwicklung bilden.

Bernhard Koerber