LOG IN 21 (2001) Heft 3/4
Editorial
Hoffen und harren
Computer gibt es in den Schulen Deutschlands
bekanntlich nicht erst seit heute. Anfänge des Computereinsatzes im Unterricht sind schon
aus den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts bekannt. Und die Forderung, dass
möglichst viele Lernende ganz zu schweigen von den Lehrenden mit Computern
umgehen können sollen, ist bereits 1971 im 2. DV-Programm der Bundesregierung erhoben
worden.
Was unsere Gegenwart jedoch von der damaligen Zeit unterscheidet, sind mindestens drei
Punkte:
- Vor 30 bis 40 Jahren waren alle Beteiligten von einem Pioniergeist
geprägt, der sie zu Arbeitsleistungen beflügelte, die heutzutage nur mit
"Selbstausbeutung" bezeichnet würde.
- Es gibt heute eine breite gesellschaftliche Übereinstimmung
darüber, dass Computer in der Tat etwas mit Bildung und Ausbildung zu tun haben. Nur sind
die in all den vorhergehenden Jahren gesammelten Erfahrungen nahezu vollständig vergessen
worden, und an vielen Stellen beispielsweise beim so genannten E-Learning
wird das Rad zum x-ten Mal neu erfunden.
- Vor allem durch die bundesweite Initiative "Schulen ans
Netz" ist nun tatsächlich der Schub eingetreten, der damals gefordert wurde: Jede
Schule besitzt Computer, und nahezu jede Schule setzt sie auch zumindest irgendwie
ein.
Was sich in den vergangenen Jahren bis heute
allerdings nicht geändert hat, ist die geringe Einsicht darüber, dass Computer nicht
einfach so von alleine laufen und dass bei jeder Computerbeschaffung Folgemaßnahmen
beachtet werden müssen und Folgekosten entstehen. "So wie beim Kauf eines
Autobusses", stellt Andreas Breiter in diesem Heft fest, "die Kosten für
Diesel, Wartung und Pflege, Reinigung, Reparaturen, Versicherungen, Fahrerinnen bzw.
Fahrer, Fahrscheinautomaten usw. berücksichtigt werden müssen, so fallen beim Aufbau von
Netzwerken und beim Kauf von PCs, Peripheriegeräten und Software sowie bei der
Internetanbindung weitere Kosten an."
Für jeden Arzt, für jeden Rechtsanwalt ist klar, dass die Einführung
von Computern in seiner Praxis zwar auf der einen Seite Rationalisierungseffekte bringt,
aber auf der anderen Seite neben der Umstellung der Arbeitsabläufe und den damit
verbundenen Schulungsmaßnahmen für sich selbst und sein Personal auch erhebliche Kosten
der Wartung und Pflege der Geräte und der Software nach sich zieht. Nur für die Schule
galten diese Einsichten bislang nicht.
So hat bereits 1980 der von der damaligen Bundesregierung eingesetzte
"Arbeitskreis Schulrechner (ASR)" für die Rechnerausstattung der Schulen in der
Sekundarstufe II "dem Umfeld des Schulrechners (Beschaffung, Installation, Wartung
und Pflege)" große Bedeutung beigemessen und hierzu zahlreiche Feststellungen und
Empfehlungen zusammengetragen (vgl. LOG IN, Heft 1/1981, S. 67).
Und in der 1995 entstandenen Studie "Schulen an das Netz",
aus der dann die bundesweite Initiative "Schulen ans Netz" wurde, ist
selbstverständlich auch auf Folgeprobleme hingewiesen worden, z.B.: "Die
Kostenstruktur der Nutzung von Netzen ist für Schulen als Problem grundsätzlich [
]
auch haushaltstechnisch zu lösen" (http:// www.schulweb.de/schnet95/). Doch für
Politiker galt bislang nur die Zahl der Internet-Anschlüsse und die Zahl der in den
Schulen stehenden PCs.
Erst in allerjüngster Zeit bildet sich ein politisches Bewusstsein
über die Folgen der IT-Investitionen für Schulen heraus nicht zuletzt deshalb,
weil die bisherigen Kolleginnen und Kollegen in den Schulen, die für den Rechnerbetrieb
verantwortlich sind, genug vom Hoffen und Harren auf Besserung der Situation haben und
dies auch öffentlich formulieren.
Wer sich bislang um die Pflege und Wartung der Rechenanlagen in der
Schule kümmerte, wusste im Grunde, dass dies für den eigenen Unterricht geschah: Zumeist
waren es Lehrerinnen und Lehrer, die den ITG- oder den Informatikunterricht durchführten.
Doch seitdem mit "Schulen ans Netz" der Computereinsatz im Unterricht eine
"Breitenbewegung" geworden ist, stellt sich die Situation dieser Kolleginnen und
Kollegen dramatisch anders dar: Sie sind zu Dienstleistern für andere geworden, die
auch aufgrund der vielfach unkoordinierten Beschaffung von Hard- und Software
mit bestem Willen den Anforderungen nicht mehr gerecht werden können. Dabei tritt
die widersinnige Situation auf, dass die freiwillig geleisteten Dienste nun als
selbstverständlich vorausgesetzt werden und die eigentliche pädagogische Berufung dieser
Kolleginnen und Kollegen zu kurz kommt.
Erstmals haben sich am 5. und 6. März des Jahres 2002 in einer
Fachtagung "Supportsysteme für Schulnetze" die Bundesländer (im Rahmen der
KMK) mit diesem Problem beschäftigt. Dabei wurde deutlich, dass die Kultusbehörden nach
nahezu 40-jähriger Fachdiskussion über dieses Problem in den meisten Fällen erst am
Anfang der Lösung stehen. Allerdings hat sich das Problem durch die knappen Kassen der
öffentlichen Hand noch verschärft: Es werden nicht nur Lösungen gesucht, sondern dazu
auch noch intelligente! Hoffen wir also, dass es den verantwortlichen Politikern gelingt,
entsprechende Lösungen nicht nur zu finden, sondern auch durchzusetzen. Mit LOG IN soll
jedenfalls dazu beigetragen werden.
Bernhard Koerber
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