LOG
IN 21 (2001) Heft 1
Kärrnerarbeit
Der Aufbruch ins nächste Jahrhundert und
sogar ins nächste Jahrtausend gehört bereits der Geschichte an. Die Visionen sind
formuliert, und die Herausforderungen des Alltags gewinnen wieder die Oberhand.
Für diejenigen, die sich seit mehr als 30 Jahren mit dem
Computereinsatz in der Schule beschäftigen, ist dieser Alltag, sind aber auch Visionen,
nichts Unbekanntes. Beim Thema des vorliegenden Heftes "Informatik heute und
morgen" sollen Visionen auf ihre Umsetzbarkeit geprüft und Wege aufgezeigt werden,
der Realisierung der Visionen mit konkreter Arbeit ein wenig näher zu kommen.
Bereits ab 1965 wurden die ersten Schulversuche für ein mögliches
Faches "Rechnerkunde" begonnen. Fünfzehn Jahre später und mit fünfzehn Jahren
Erfahrungen aus solchen Versuchen, d.h. vor mehr als 20 Jahren, äußerte der damalige
Berliner Schulsenator Walter Rasch auf die Frage "Welche Themen halten Sie [im
allgemein bildenden Informatikunterricht] für wichtig?" u.a. das Folgende (in: LOG
IN Heft 181, S. 36): "Typische EDV-Anwendungsfälle aus allen Bereichen.
Soziale Auswirkungen, insbesondere wirtschaftliche Auswirkungen, Veränderung beruflicher
Tätigkeiten, Datenschutzprobleme, Probleme der Abhängigkeit von Rechnersystemen,
Veränderung der Kommunikationsgewohnheiten. [Aber auch] strukturierter Programm- und
Systementwurf, insbesondere Problemanalyse, Modellbildung und -auswahl,
Datenstrukturierung und Algorithmenentwurf, Verifikation von Algorithmen, Dokumentation
von Algorithmen, Realisierung von Algorithmen auf dem Rechner, Betrieb, Wartung und Pflege
von Programmsystemen. [
]" Diese Begriffe stehen auch heute selbst in den
Rahmenplänen, die gerade erst erstellt worden sind. Und bei der Frage, welche
Fähigkeiten denn die Schüler erwerben sollten, war die Antwort des Senators:
"Typische Anwendungen kennen und Anwendungsmöglichkeiten der DV realistisch
einschätzen können. Probleme, zumindest einfacherer Art, für den Einsatz des Rechners
aufbereiten und den Computer als Werkzeug bei ihrer Lösung benutzen können. Wissen, nach
welchen Prinzipien Rechnersysteme entworfen und betrieben werden."
Die technologische Basis des Computereinsatzes hat sich seit dieser
Zeit erheblich weiter entwickelt, und auch die damaligen Vorstellungen über eine
informatische Bildung konnten mehr und mehr präzisiert und zum Teil wenigstens
durchgesetzt werden.
Auch wurde immer deutlicher, dass traditionelle Unterrichtskonzepte und das damit
verbundene Rollenverständnis von Lehrenden auf der einen und Lernenden auf der anderen
Seite durch den Computereinsatz ad absurdum geführt werden. Das, was heute mit dem
Schlagwort "Neues Lernen" gekennzeichnet wird und vor allem die Eigentätigkeit
der Lernenden betrifft, ist stets ein Grundprinzip des Informatikunterrichts gewesen,
insbesondere durch die Projektorientierung des Unterrichts.
All diese Erfahrungen wären undenkbar, wenn nicht vor Ort, also in den
Schulen, genügend Kolleginnen und Kollegen den Mut aufgebracht und die Arbeit nicht
gescheut hätten, einen entsprechenden Unterricht anzupacken. Erst diese Kärrnerarbeit
lässt Visionen Wirklichkeit werden. Wer sich für Informatikunterricht und für das
Fördern informatischer Bildung an der Schule entschieden hat, wird selbst in einem Maße
gefordert, das kaum in einem anderen Unterricht zu finden ist. Computer im Unterricht
einzusetzen bedeutet, selbst nie auszulernen, sich stets mit Neuem auseinandersetzen zu
müssen und zu anderen Arbeitsstilen zu finden aber auch, auf Schülerinnen und
Schüler zu treffen, die dem Unterricht offen und mit voller Begeisterung begegnen.
Die Beiträge dieses Heftes sollen von all diesen Aspekten etwas aufzeigen.
Mit dem Beitrag über "Zufall und zufallsgesteuerte
Algorithmen" von Juraj Hromkovic wird ein Ausblick auf die Leistungsfähigkeit von
Softwaresystemen gegeben, die mit deterministischen Algorithmen nie erreicht werden
könnte. Auch die Frage nach der "richtigen" Programmiersprache taucht wieder
auf: JAVA oder nicht JAVA ist hier die Frage, oder ist MODULA-3 doch besser? Damit
beschäftigt sich László Böszörményi.
In Bayern wird seit kurzem Informatik als Pflichtfach in der 6. Klassenstufe unterrichtet
und soll dann in den Jahrgangsstufen 9 bis 11 fortgesetzt werden. Die fünf Autoren des
sehr umfangreichen Beitrags zeigen auf, welche Möglichkeiten es bereits in
der 6. Klassenstufe gibt, um den Schülerinnen und Schülern im
Informatik-Anfangsunterricht erste, fachlich korrekte, aber trotzdem altersgemäße
Einsichten zu vermitteln.
Im Beitrag von Siegfried Spolwig über "Web-gestützte
Softwareprojekte" werden auch in diesem Teil wieder Anregungen gegeben, wie Projekte
mit modernen Organisationsmitteln im Unterricht durchgeführt werden können. Und mit dem
Beitrag "Gebäudeautomation und Bussysteme" weisen die Autoren dank
"EIB" auf neue, für den Unterricht hervorragend geeignete Inhalte hin,
mit denen traditionelle Informatikthemen aufgegriffen werden können.
Selbst die Beilage dieses Heftes zeigt neue Aspekte eines alten Themas
der Kärrnerarbeit in der Schule: "Planung und Betreuung von Rechnersystemen an
Schulen"!
Bernhard Koerber
Sigrid Schubert
Andreas Schwill
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