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LOG IN 19 (1999) Heft 5

ITG-Projekt ,,Mein Buch‘’



ITG und Deutschunterricht (Teil 1)

von Gabriele Henke und Ulrike Mahler-Hapke


 

Mein Lieblingsbuch

    In diesem Projekt sollen Fähigkeiten aus den Fächern Deutsch und ITG zusammenfließen und in natürlicher Weise erweitert werden. Das ganz traditio- nelle Medium „Buch“ wird mit dem neuen Medium „Computer“ in Verbindung gebracht, wobei nicht das eine Medium das andere ersetzen soll, sondern beide sollen sich sinnvoll ergänzen. Das Projekt ermöglicht das Aufgreifen der Interessen Jugendlicher, indem es das Spannungsverhältnis zwischen alten und neuen Medien für den Unterricht ausnutzt: Die Schülerinnen und Schüler erstellen – mit Hilfe eines PCs – ein Faltblatt mit einem kreativen Titelblatt und einer motivierenden Rezension zu ihrem „Lieblingsbuch“.
    Dabei geht es um das Einüben fächerübergreifender Qualifikationen wie Lesen, Schreiben, Formulieren, Anfertigen von Textsorten, Gestalten, Entwickeln von Kreativität und Kooperationsfähigkeit und um die Fähigkeit zur Empathie.
    Notwendig ist die elementare Fähigkeit, mit dem Computer umzugehen, die wir voraussetzen und in dieser Unterrichtseinheit verfeinern wollen. Das Projekt fordert die Kooperation mit dem Deutschlehrer, denn die Schüler sollen Rezensionen erstellen. Der Lehrplan Deutsch für die achte Klasse fordert in allen Bundesländern die „Inhaltsangabe“, woraus eine Rezension zielgerichtet erwachsen kann. Die Schülerinnen und Schüler können ihrer Subjektivität freien Lauf lassen und müssen nicht eine möglichst objektive Sprache anwenden, die normalerweise eine einfache Inhaltsangabe erfordert. Die Steigerung der Lesemotivation spielt bei diesem Projekt eine große Rolle, denn die Jugendlichen sollen ein Buch lesen und sich mit diesem beschäftigen, indem sie dazu schreiben, passende Bilder finden und ein Titelblatt gestalten. In dem erstellten Produkt wird sich die Fähigkeit am PC, aber auch die Motivation zur Bearbeitung des Buches widerspiegeln. Auch sollen die Schülerinnen und Schüler ihre Adressatengruppe vor Augen haben, die sie mit Hilfe des „Literarischen Faltblattes“ motivieren wollen. Dafür müssen sie eine Distanz zu ihren Arbeiten entwickeln, die sie befähigt, ihre Mitschüler für das eine oder andere Buch zu begeistern.
    Der ITG-Unterricht ist ebenfalls für die achte bzw. neunte Klasse geplant, insofern erscheint ein fächerübergreifender Unterricht sinnvoll. Zusätzlich erhoffen wir natürlich, daß der eigentliche Nutzen des PCs für die Schülerinnen und Schüler sichtbar wird.
    Das ITG-Projekt „Mein Buch“ bezieht sich auf curriculare Forderungen, die in nahezu allen Rahmenplänen benannt werden. So heißt es beispielsweise im Berliner Rahmenplan (1990, S. 3) unter anderem: „Der ITG-Unterricht soll den Schülern auf elementare und exemplarische Weise Grundkenntnisse über den Einsatz von Computern vermitteln […] und auch dazu dienen, bisherige Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler aufzuarbeiten und einzuordnen.“ Im weiteren sollen die Jugendlichen Einsichten in die Bedeutung der PCs für die Welt mit ihren vielen Möglichkeiten erkennen.
    Das Genannte findet im Projekt Beachtung. Bei der Gestaltung des „Literarischen Faltblattes“ erlangen die Schülerinnen und Schüler Kenntnisse sowohl in der Text- als auch in der Bildbearbeitung. Sie müssen bisher erlernte Computerkenntnisse festigen und diese verfeinern bzw. erweitern.



Didaktische Festlegungen

    Das Projekt ist mit dem Deutschunterricht fächerübergreifend verbunden, d.h. das Schreiben der Rezension selbst findet im Deutschunterricht oder in Hausarbeit – durch die Deutschlehrerin bzw. den Deutschlehrer angeleitet – statt.
    Das Lesen einer Ganzschrift im Deutschunterricht ist vom Lehrplan vorgegeben. Da es häufig schwierig ist, Schülerinnen und Schüler dafür zu begeistern, erscheint es uns wichtig, sie ein Buch ihrer Wahl aussuchen zu lassen. So sollte das Projekt ursprünglich „Mein Lieblingsbuch“ heißen, weil wir uns eine erhöhte Motivation bei der Bearbeitung der Aufgabenstellung erhofften, aber durch die technischen Voraussetzungen an den Schulen erscheint es realistischer, die Jugendlichen in Partnerarbeit zusammenzusetzen, um ein Buch gemeinsam zu bearbeiten. Die Arbeit am PC gestaltet sich so insgesamt kommunikativer, da ein ständiger Austausch zwischen den Schülern während der Gestaltung des Faltblattes stattfindet. Das Projektthema entspricht insofern dem Erlebnis- und Erfahrungsbereich der Schülerinnen und Schüler, als diese sich ein Buch aussuchen dürfen mit der alleinigen Einschränkung, sich mit einem Mitschüler auf ein Buch einigen zu müssen. Didaktisch ist dabei zu begrüßen, daß sich immer zwei Schüler aufeinander einlassen und sich bei der Arbeit durch Auseinandersetzungen im negativen und positiven Sinne intensiver mit dem Buch und der Gestaltung des Faltblattes auseinandersetzen müssen.
    Um qualitativ ansprechende Ergebnisse zu erzielen, erscheint es ratsam, das Projekt erst nach einem Einführungsprojekt an zweiter Stelle durchzuführen, denn während die inhaltliche Erstellung der Rezension im Deutschunterricht stattfindet, kommt es im ITG-Kurs auf die Gestaltung des „Literarischen Faltblattes“ an. Natürlich kann eine Überarbeitung des Textes erleichtert durch die schnelle Korrekturmöglichkeit am PC fortwährend stattfinden. Denn hier muß ausgenutzt werden, daß die Schüler nicht durch mehrfaches Ab- und Umschreiben frustriert, sondern durch die Kenntnisse in der Textverarbeitung motiviert werden.
    Die Rezension ist eine subjekive Inhaltsangabe, d.h. sie enthält oftmals eine partielle Interpretation und eine Wertung. Die Schüler sollen einmal durch eine werbende Rezension andere zum Lesen bewegen und natürlich durch die ansprechende Gestaltung des Faltblattes Aufmerksamkeit erregen.
    Die Erstellung des „Literarischen Faltblattes“ wird in wechselnden Schritten erarbeitet. Bei der Wiederholung, Festigung und Erweiterung der PC-Kenntnisse haben die Schülerinnen und Schüler einerseits Arbeitsblätter zur Verfügung, die sie führen, aber sie müssen auch Kenntnisse über die Methode „lerning by doing“ erreichen, wobei die Lehrkraft natürlich hilfreich unterstützen sollte. Nur über diese Lernmethode, die sich durch die Einheit hindurchzieht, kann man den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen innerhalb der Lerngruppe gerecht werden. Gerade beim Arbeiten mit dem PC weichen die Vorkenntnisse weit voneinander ab. Auch kann die Lerngeschwindigkeit selbst in homogenen Gruppen erheblich variieren.
Die Schülerinnen und Schüler können gezielt nachfragen, was sie wissen möchten, d.h. sie erhalten die Chance zum selbständigen Fragen und damit zum eigenverantwortlichen Lernen.


 

Die Unterrichtseinheit

Gegenstand der Unterrichtseinheit
    In dieser Unterrichtseinheit geht es um die Analyse und den kreativen Einsatz von Gestaltungselementen mit Hilfe des Computers anhand eines „Literarischen Faltblattes“, das in Aufbau und Gestaltung ein funktionales und ästhetisches Produkt ergibt.

Themen der Doppelstunden

  • Erste Doppelstunde: Analyse der Gestaltungselemente
  • Zweite Doppelstunde: Rezensionseingabe und Entwurf der Formatvorlage
  • Dritte Doppelstunde: Gestaltung der Innenseiten
  • Vierte Doppelstunde: Gestaltung des Titelblattes
  • Fünfte Doppelstunde: Präsentation der Ergebnisse

Generelle Unterrichtsziele

    Die Schülerinnen und Schüler

  • lernen den Computer in Anwendungssituationen kennen, die – in didaktischer Reduktion – typisch sind.
  • gewinnen an leicht überschaubaren Aufgaben Einblicke in die einzelnen Stufen einer systematischen Problemlösung.
  • analysieren Teilbereiche einer komplexen Anwendung in seiner Funktionalität.

Fachliche und didaktisch-methodische Überlegungen
    Bei der Arbeit in dieser Unterrichtseinheit steht im Mittelpunkt die Beschäftigung mit Textverarbeitungsprogrammen und Grafikelementen.
Im Vordergrund stehen Textbearbeitung, Seitengestaltung und das Einbinden von Grafiken. Die Grafiken können Clip-Arts, eigene Darstellungen oder auch Fotos sein, die eingebunden werden können.
    Die Form des „Literarischen Faltblattes“ zur Behandlung im ITG war durch folgende Überlegungen bestimmt:

  • Die Erstellung des „Literarischen Faltblattes“ beinhaltet das Analysieren, Reflektieren und Produzieren, das Schreiben einer Rezension, das Gestalten von Gedanken.
  • Der parallele Einsatz des alten Mediums „Buch“ und des neuen „Computer“ trägt zur Erweiterung der Medienkompetenz bei.
  • Es sind nicht nur reine Computerkenntnisse gefragt. Diese Unterrichtseinheit ist geprägt von unterschiedlichen Fähig- und Fertigkeiten, die sich durch ihre fächerübergreifenden Aspekte stellen.
  • Die unterschiedlichen Voraussetzungen von Schülerinnen und Schülern im Umgang mit dem Medium Computer machen einerseits das Aufgreifen elementarer Grundkenntnisse und andererseits eine sehr individuelle und differenzierte Gestaltungsmöglichkeit notwendig, die das Arbeiten auf unterschiedlichen Niveaus zuläßt bzw. initiiert.
  • Die in der als Beispiel gedachten Vorlage „Sofies Welt“ verwendeten Gestaltungselemente lassen sich in fast allen gängigen Anwendungen finden.
    Sowohl bei der Erstellung als auch bei der Rezeption eines „Literarischen Faltblattes“ spielt Kreativität eine wesentliche Rolle.
    Die Aufgabenstellungen können Minimalanforderungen enthalten, da das Erkunden im Mittelpunkt stehen soll. Durch die permanente Verzahnung von bekannten Elementen mit neuen gestalterischen Anforderungen wird einer komplizierten technischen Anleitung vorgebeugt.
  • Auf das geordnete Ablegen der Dateien wird besonderer Wert gelegt.
  • Der Ausblick auf ein „Literarisches Faltblatt“ am Anfang der Unterrichtseinheit und das Aufgreifen einzelner Elemente zu unterschiedlichen Zeiten fördern einerseits die Vorstellung und Motivation auf das mögliche Endprodukt und schaffen andererseits die Möglichkeit, in die Gestaltungsvielfalt einzusteigen.

Methoden und Arbeitsformen
    Die arbeitsteilige Gruppenarbeit in Form der Partnerarbeit zum aspektorientierten Analysieren, der Ideenfindung und Gestaltung des „Literarischen Faltblattes“ wurde aus folgenden Überlegungen heraus gewählt:

    Die Präsentation der Arbeitsergebnisse beinhaltet das Vorstellen der eigenen Arbeit mit gemeinsamer Reflexion. Diese Zusammenfassung ist funktional bedeutsam:

  • Obwohl ein Gemeinschaftsprodukt erstellt wurde, kann hier eine individuelle Leistung verlangt werden, auf die jeder einzelne vorbereitet sein muß.
  • Sie bietet dem Lehrer und den Schülern Vergleichs- bzw. Orientierungsmöglichkeiten.
  • Die Zusammenfassungen stellen abrechenbare Ergebnisse im Sinne des Lernzuwachses bzw. eines Erkenntniszuwachses dar.

Die funktionale Einbindung von Hausaufgaben begründet sich im fächerübergreifenden Aspekt und aus arbeitsorganisatorischen Gründen.

(wird fortgesetzt)

Gabriele Henke
Ernst-Friedrich-Gymnasium
Wildenbruchstraße 53
12435 Berlin

Ulrike Mahler-Hapke
Freie Universität Berlin
FB Philosophie und Geisteswissenschaften
Didaktik der deutschen Sprache und Literatur
Habelschwerdter Allee 45
14195 Berlin


Diese Unterrichtseinheit ist als ein Projekt im Rahmen der Lehrerfortbildung des von Ingo-Rüdiger Peters geleiteten Jahreskurses ITG 1998/99 an der FU Berlin unter Mitarbeit von Martin Meißner, Carsten Paeprer und Lutz Ulbricht entstanden.




Literatur

Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport (Hrsg.): Vorläufiger Rahmenplan für Unterricht und Erziehung – Informationstechnische Grundbildung (ITG) – Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule. Berlin, 1990.